Vom Modellprojekt zum Problemfall: Das Ende der Jahnsportpark-Vision?

Stillstand statt Neubeginn: Der Abriss des Cantianstadions im Friedrich-Ludwig-Jahnsportpark verzögert sich auf unbestimmte Zeit – der Berliner Senat setzt das Projekt aufgrund der finanziellen Situation aus. Während Gegner jubeln, wachsen die Zweifel, ob das ambitionierte Bauprojekt und die Schaffung eines inklusiven, barrierefreien Sportparks jemals realisiert wird.

Text: Björn Leffler
© Fotos: GOOLAZO BERLIN

 

Die jahrelange Farce um den Abriss des historischen Cantianstadions im Berliner Jahnsportpark ist um ein weiteres, unrühmliches Kapitel reicher. Die Gegner des Abrisses werden hingegen jubeln, denn nachdem erst der Artenschutz den Abriss des alten und damit auch den geplanten Bau des neuen Stadions zeitlich stark beeinträchtigen sollte, hat der Berliner Senat im Zuge der notwendigen Sparmaßnahmen das Projekt gleich vollends gestoppt.

Es soll, so hört man, nur ein Stopp auf Zeit sein. So sollen sich Abriss und Neubau bis mindestens 2026 verzögern, was bedeuten würde, dass mit dem Bau der neuen Arena frühestens im Jahr 2027 begonnen werden könnte und eine Fertigstellung erst Ende der 2020er oder Anfang der 2030er Jahre möglich wäre. Doch es scheint zudem festzustehen, dass der Senat das Projekt, in das mittlerweile rund ein Jahrzehnt Planungs- und Vorbereitungszeit geflossen ist, in der vereinbarten Form gar nicht mehr umsetzen möchte.

Modernisierung des Jahnsportparks: Berliner Senat möchte bestehende Planung noch einmal neu überdenken

Wie der Tagesspiegel berichtet, kündigte der Senat eine „kostensenkende Umplanung“ der gesamten Sportanlage in Prenzlauer Berg an – ohne genauer zu konkretisieren, was das genau heißen soll. Ursprünglich waren für das Projekt 307 Millionen Euro eingeplant. Nun sollen die Kosten laut Senat deutlich unter 300 Millionen Euro liegen, idealerweise bei unter 250 Millionen Euro. Das Problem dabei ist jedoch: sollten sich die Baukosten weiter so entwickeln, wie sie es in den vergangenen Jahren getan haben  (nämlich weiter stark steigen), wird der finanzielle Spielraum für das Projekt mit jedem weiteren Jahr, in dem die Baustelle ruht, faktisch geringer. Was man heute mit 300 Millionen Euro realisieren kann, wird man aller Voraussicht nach in zwei Jahren nicht mehr umsetzen können.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen erklärte dennoch, dass das Projekt grundsätzlich weitergeführt werde. Eine Sprecherin betonte auf Anfrage des Tagesspiegels, die Koalition habe dem Neubau eines inklusiven Stadions sowie der Erweiterung der Sportanlagen weiterhin zugestimmt. Der Abriss der alten Arena werde fortgesetzt, sobald die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen seien.

Berliner Senat: Abriss und Neubau sollen grundsätzlich fortgesetzt werden – vielleicht ab 2026

Diese Aussage kann natürlich in unterschiedliche Richtungen interpretiert werden. Die Wahrheit scheint wohl, dass der Berliner Senat offenbar sehr froh ist, das komplizierte und ungeliebte Projekt vorerst aufs Abstellgleis verbannen zu können. Für die kommenden zwei Jahre – mindestens – wird also der Status Quo konserviert werden: eine teilweise abgerissene Haupttribüne, die mit provisorischen Bauzäunen gesichert wird und ein Stadion, von dem im Innern nur die nackten Betonränge erhalten bleiben werden, denn die bunten Sitzschalen gibt der Berliner Senat derzeit kostenlos ab – rund 10.000 dieser Sitzschalen wurden bereits ausgebaut.

Für die geplante und eigentlich dringend benötigte Modernisierung des Areals ist die Entscheidung des Berliner Senats folgenschwer. Das Ringen um die zukünftige Neugestaltung, die wiederholten Anläufe zur Planung des Geländes, die endlosen Dialogwerkstätten und Debatten haben letztlich dazu geführt, dass auf dem Projekt so lang herumdiskutiert wurde, bis dem Berliner Senat die finanziellen Mittel oder der politische Wille abhanden gekommen sind, das Projekt tatsächlich umzusetzen.

Konservierter Stillstand: Moderne Sportstätten werden in Prenzlauer Berg auch weiterhin fehlen

Es wird wohl nicht lang dauern, bis Eltern, Schulen und Vereine in Prenzlauer Berg über marode Sportstätten und fehlende Flächen für Schul- und Vereinssport klagen werden. Auf dem Gelände des Friedrich-Ludwig-Jahnsportparks sollten neben dem neuen Stadion viele dieser bitter benötigten Flächen für den Breitensport entstehen, doch die Widerstände der Anwohner, von Initiativen, Denkmalschützern und Umweltschutzorganisationen war so massiv, dass das Gelände nun einfach so verbleibt, wie es jetzt ist.

Es wäre eher überraschend, wenn im Jahr 2026 tatsächlich der Abriss des Stadions fortgeführt wird, denn die finanzielle Situation wird sich aller Voraussicht nach nicht signifikant verbessern, und das Stadionprojekt scheint nicht die erforderliche Priorität zu haben, auch wenn der Landessportbund Berlin, der Berliner Fußballverband und viele Sportvereine und Bildungseinrichtungen seit Jahren auf die Notwendigkeit dieses Bauprojekts hingewiesen haben.

Für unter 250 Mio. Euro: Wird das Projekt in Pankow in abgespeckter Form umgesetzt?

Um das geplante Projekt mit einer Investitionssumme umzusetzen, die “deutlich unter 250 Millionen Euro” liegt, müssten ohne Zweifel zentrale Elemente des Vorhabens revidiert werden. Entweder wird das Stadion deutlich kleiner gebaut, als es bislang geplant war – was nur wenig Sinn machen würde – oder die vorgesehenen Sportstätten auf dem Gelände des Jahnsportparks werden nur in sehr begrenztem Umfang umgesetzt.

Für die Anhänger des Stadions, die aufgrund der bemerkenswerten Architektur der Arena einen Erhalt und eine Einstufung als denkmalgeschütztes Gebäude fordern, war die Entscheidung des Berliner Senats, das Projekt (vorerst) zu stoppen, ganz sicher eine positive Nachricht, auch wenn sich der Zustand des Stadions durch weitere Jahre ohne Ertüchtigung und Modernisierung sicher nicht verbessern wird.

Jahnsportpark: Architekturfans und Umweltschützer jubeln, Sportvereine bleiben in der Warteschlange

Auch die Artenschützer, die den Haussperling durch den geplanten Abriss bedroht sahen, werten die Entscheidung als wichtigen Etappensieg. Die Spatzen können nun weiter ungestört im maroden Gemäuer brüten, zumindest für die kommenden zwei Jahre, wahrscheinlich länger. Für die Sportstadt Berlin hingegen und die zahlreichen Vereine und Schulen, die auf den Bau moderner Sportstätten gehofft hatten, ist die Entscheidung ein herber Rückschlag.

Die großen Pläne für einen modernen, inklusiven und barrierefreien Sportpark in Prenzlauer Berg haben sich mit der Entscheidung des Berliner Senats, den Abriss umgehend zu stoppen und das gesamte Projekt – abermals – in seiner Grundkonzeption neu zu überdenken, letztendlich definitiv zerschlagen. Was am Ende von den hochtrabenden Planungen übrig bleiben wird, muss abgewartet werden. Und man wird wohl sehr lange warten müssen, bis tatsächlich auf dem Gelände gebaut wird.

 

Dieser Zustand wird aller Voraussicht nach bis 2026 konserviert werden, denn der Abriss des Cantianstadions im Jahnsportpark ist bis auf Weiteres ausgesetzt – Ausgang offen. / © Foto: GOOLAZO BERLIN 

Quellen: NaturFreunde Berlin, Der Tagesspiegel, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, O+M Architekten GmbH, Berliner Morgenpost, LOR Landschaftsarchitekten, Bürgerinitiative Jahnsportpark, Fachhochschule Erfurt, Verein Pfeffersport

One Reply to “Vom Modellprojekt zum Problemfall: Das Ende der Jahnsportpark-Vision?”

  1. Angesichts der aktuellen Herausforderungen in Berlin ist es an der Zeit, pragmatisch zu handeln und ernsthaft darüber nachzudenken, das neue, privat finanzierte Stadion von Hertha BSC im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark zu errichten. Die Stadt steht vor der Aufgabe, gleich mehrere Großprojekte gleichzeitig zu stemmen: den geplanten Abriss und Neubau des Cantian-Stadions im Jahn-Sportpark, den geplanten Stadionneubau von Hertha BSC, die Unterhaltskosten des Olympiastadions und den Ausbau der Alten Försterei von Union Berlin. Wie kann Berlin all diese Projekte finanziell und logistisch bewältigen?

    Eine Zusammenlegung von Projekten bietet eine sinnvolle und nachhaltige Lösung. Da das Cantian-Stadion ohnehin abgerissen und neu gebaut werden soll, bietet sich die einmalige Chance, zwei Großprojekte intelligent zu verbinden. Indem man den privat finanzierten Stadionneubau von Hertha BSC mit der ohnehin notwendigen Neugestaltung des Jahn-Sportparks kombiniert, könnten erhebliche Synergien genutzt und Kosten eingespart werden. Hertha würde nicht nur zu seinen historischen Wurzeln auf dem “Exer” zurückkehren – der ersten Spielstätte des Vereins auf dem heutigen Gelände des Jahn-Sportparks – sondern auch ein starkes Signal für Innovation und Zusammenarbeit in der Hauptstadt senden.

    Der Jahn-Sportpark verfügt über eine hervorragende Verkehrsanbindung mit S-Bahn, Tram und Bus und liegt zentral im Herzen Berlins. Ein modernes, multifunktionales Stadion an diesem Standort würde nicht nur dem Profifußball zugutekommen, sondern auch den Breitensport fördern und das Areal zu einem lebendigen Zentrum für Sport und Gemeinschaft machen. Die Kombination der Projekte würde Planungs- und Baukosten reduzieren, infrastrukturelle Ressourcen bündeln und die finanzielle Belastung für die Stadt verringern.

    Statt drei separate, kostspielige Stadionbauten parallel zu verfolgen, sollte Berlin den Mut haben, eine pragmatische und effiziente Lösung zu wählen. Die Integration des neuen Hertha-Stadions in den Jahn-Sportpark wäre ein kluger Schritt, um die sportliche Infrastruktur nachhaltig und zukunftsfähig zu gestalten.

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