Würde das US-Transfersystem im Fußball funktionieren?

Die Großen werden immer größer, und die Kleinen bleiben klein. So lässt sich der europäische Fußball in seinem heutigen Zustand sehr gut beschreiben. Für Veränderungen und dadurch mehr Spannung könnte eine Reform des Transfersystems sorgen. Wir haben uns mal Gedanken darüber gemacht, wie es wäre, wenn das Transfersystem im Fußball so geregelt wäre wie im US-Sport.

© Foto Titelbild: IMAGO / Action Plus
Text: Alexander Kords

 

Am vergangenen Wochenende erzielte Michael Olise per Freistoß das 1:0 für Bayern München gegen den VfL Bochum. Damit trug sich ein Spieler in die Torjägerliste ein, der allein mehr wert ist als der komplette Kader der gegnerischen Mannschaft. Für Olise bezahlten die Bayern im Sommer 53 Millionen Euro, für João Palhinha legten sie eine ähnlich hohe Summe auf den Tisch.

Dass die kleineren Clubs der Bundesliga angesichts solcher Ausgaben nicht mithalten können, liegt auf der Hand. Und in anderen Ligen Europas ist es nicht anders. Einige wenige finanzstarke Vereine machen regelmäßig die Meisterschaft unter sich aus, während die Fans der anderen Clubs davon träumen, wenigstens den europäischen Wettbewerb zu erreichen.

Europäischer Profifußball: Verträge sind nichts mehr wert

Weil die finanzielle Kluft zwischen den Vereinen immer größer wird, haben auch die Verträge mit den Spielern faktisch keine Bedeutung mehr. Was letztlich den Ausschlag darüber gibt, wann ein Spieler wohin wechselt, sind seine Präferenz, die gebotene Ablösesumme und das Gehalt, das er beim neuen Club verdienen kann.

Möchte ein überaus veranlagter Spieler wie Florian Wirtz zu einem europäischen Spitzenclub wechseln, dann spielt es keine Rolle, wie lange sein Vertrag bei Bayer 04 Leverkusen noch läuft. Dann kommt es nur darauf an, welcher Verein das meiste Geld in die Hand nimmt.

Das US-Modell als Vorbild? Drafts zu Saisonbeginn

Im US-Sport ist es üblich, dass die Teams zu Saisonbeginn die besten Jugendspieler unter sich verteilen. Beim sogenannten Draft haben die Clubs, die in der vorangegangenen Spielzeit am schlechtesten abgeschnitten haben, das Erstzugriffsrecht. Dadurch können sie die besten Neulinge verpflichten und so ihren Kader verbessern.

Überträgt man dieses System auf den Fußball, dann würden Talente wie Jamal Musiala und Florian Wirtz nicht bei den besten Teams der Bundesliga spielen, sondern bei Abstiegskandidaten wie dem VfL Bochum oder dem VfL Wolfsburg.

Ziel Mehr Stabilität im Kader: Die Spielerfluktuation ist enorm hoch

Schaut man sich die Kaderzusammenstellung der Bundesligisten in den vergangenen Jahren an, dann fällt auf: Lediglich Bayern München gelang es, seine besten Spieler langfristig zu halten. Dass der Ligaprimus Robert Lewandowski 2022 an den FC Barcelona abgeben musste, stellt eindeutig eine Ausnahme dar.

Selbst Borussia Dortmund, der langjährige ärgste Verfolger der Bayern, muss regelmäßig seine Mannschaft neu zusammenstellen, weil die besten Spieler zu anderen Clubs wechseln. Man stelle sich ein BVB-Team vor, in dem Jude Bellingham, Erling Haaland, Ousmane Dembelé und ebenjener Robert Lewandowski Seite an Seite stürmten.

Durch das Draft-System würde es wahrscheinlich zu weniger Transfers kommen, weil sich die Teams eher darauf konzentrieren würden, ihre Talente aufzubauen. Dies könnte für mehr Stabilität im Kader sorgen.

Viel diskutiert, bislang nicht umgesetzt: Gehaltsobergrenze für Teams und Spieler

Ein weiteres Instrument, mit dem viele US-Ligen ihren Wettbewerb fairer gestalten, sind Gehaltsobergrenzen. Der sogenannte Salary Cap gibt vor, wie viel Geld die Clubs ihren Spielern zahlen dürfen. Der Salary Cap kann sich auf einzelne Spieler oder das gesamte Team beziehen.

In der Basketball-Liga NBA dürfen die Clubs all ihren Spielern zum Beispiel ein maximales Gehalt von rund 136 Millionen Dollar pro Saison zahlen. Wie dieser Betrag zustande kommt, spielt dabei keine Rolle, solange jeder Spieler das Mindestgehalt bekommt, das derzeit bei etwa 1,16 Millionen Dollar liegt.

Der “Salary Cap” ist in den US-amerikanischen Profiligen längst etabliert

Die US-amerikanische Fußball-Liga MLS hat neben dem Salary Cap für Teams auch eine Obergrenze für die einzelnen Spieler. Demnach darf ein Fußballer nicht mehr als 1,65 Millionen Dollar pro Jahr verdienen. Allerdings ist diese Regel mit Ausnahmen versehen, wie nicht zuletzt am Gehalt vom Liga-Superstar Lionel Messi zu erkennen ist.

Jeder MLS-Club darf nämlich bis zu drei Spieler in seinen Reihen haben, denen er ein Gehalt in beliebiger Höhe zahlt. Messi verdient so zum Beispiel rund 20 Millionen Dollar pro Jahr, Sergio Busquets, sein Teamkollege bei Inter Miami, bekommt knapp 9 Millionen Dollar. Die Designated Player Rule führte die MLS 2007 ein, um Stars anzuziehen. Der erste Spieler, der dank der Regel mehr Geld verdiente als seine Kollegen, war David Beckham, weshalb sie auch als Beckham Rule bezeichnet wird.

Ist ein US-Transfersystem im Fußball umsetzbar?

So schön es auch klingen mag, einen ausgeglicheneren Fußball zu erleben: Es ist schwierig bis unmöglich, die Regularien im europäischen Fußball einzuführen, die im US-Sport gelten. Allein der Draft ist in Ländern wie Deutschland undenkbar. Denn im Gegensatz zu den USA, wo die Sportler mehrheitlich in Universitäten ausgebildet werden, sind hierzulande die Vereine für die Förderung ihrer Talente verantwortlich.

Angesichts dessen wäre es mehr als unfair, wenn ein Verein einen jungen Spieler ausbildet und dann tatenlos zusehen muss, wie er von einem konkurrierenden Club gedraftet wird. Zudem würde das Draft-System die Freiheit der Fußballer einschränken, ihren Arbeitsplatz frei zu wählen. Denn sie hätten ja keine andere Wahl, als für den Club zu spielen, von dem sie gedraftet wurden.

EU-Wettbewerbsrecht: Keine Gehaltsobergrenze in Europa möglich

In der EU gilt das Wettbewerbsrecht, das Einschränkungen im Arbeitsmarkt verhindert. Dazu würde eine Gehaltsobergrenze zählen. Zudem müsste das Limit weltweit gelten, weil ansonsten nur die Ligen interessant wären, in denen es keine Gehaltsobergrenze gibt.

Zudem sind die großen Clubs sehr clever darin, Regularien zu umgehen, wie der Umgang mit dem Financial Fairplay gezeigt hat. Wenn sie ihren besten Spielern ein begrenztes Gehalt zahlen dürften, würden sie ihnen auf anderen Wegen finanzielle Anreize zukommen lassen, etwa in Form von Bonuszahlungen.

Europas Fußball im Ungleichgewicht: Mögliche Lösungen für mehr Fairness

Statt vom US-Transfersystem zu träumen, ließen sich alternative Konzepte umsetzen, die den Fußball wieder ausgeglichen gestalten würden. Dazu gehört zum Beispiel ein Financial Fairplay, das nicht bloß so heißt, sondern tatsächlich etwas bewirken kann. Es würde den Clubs wirksam verbieten, astronomische Transfersummen zu zahlen, die nicht von den Einnahmen gedeckt sind.

Hilfreich wäre es auch, wenn die Einnahmen einer Liga nicht nach Leistung, sondern gleichberechtigt unter den Clubs verteilt werden. Ebenso würde es helfen, wenn die kleineren Vereine per Solidaritätsabgabe einen Teil der Einnahmen der Großen aus den europäischen Wettbewerben erhalten würden. Ob die besagten Großen damit einverstanden wären, steht jedoch auf einem ganz anderen Blatt.

Quellen: Wikipedia, Kicker, Transfermarkt.de

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