1:4 gegen Elversberg: Herthas harte Bauchlandung

Trotz großem Optimismus endete das gestrige Heimspiel von Hertha BSC gegen den SV Elversberg mit einer bitteren 1:4-Niederlage. Statt den Anschluss an die Aufstiegsplätze zu finden, herrscht bei Hertha BSC Ernüchterung und Ratlosigkeit. Vor dem Auswärtsspiel beim FC Schalke 04 muss Trainer Christian Fiél nun schnell Lösungen finden.

© Foto Titelbild: IMAGO /  mix1
Text: Björn Leffler

 

Es hätte ein wunderbarer Sportsonntag werden können in Berlin. Während sich 50.000 Läufer beim 50. Berlin-Marathon durch die Stadt kämpften, angefeuert von über einer Million Menschen an der Strecke, wollte Hertha BSC im Heimspiel gegen den SV Elversberg die Gunst der Stunde nutzen, um sich näher an die Aufstiegsplätze heranzuschieben. Die Sonne schien, die Stimmung auf den Tribünen war gut – eigentlich war alles angerichtet.

Mit einem Sieg gegen die Saarländer hätte das Team von Trainer Christian Fiél den Abstand auf Relegationsplatz drei auf zwei Punkte reduzieren können und wäre ins obere Tabellenviertel gesprungen. Fiél hatte am Freitag im Rahmen der Spieltags-Pressekonferenz auch entsprechend selbstbewusst das Ziel ausgegeben: “Wir haben eine klare Idee und arbeiten daran, unser Stadion zu einer Festung zu machen.”

Trainer Christian Fiél wollte das Olympiastadion “zu einer Festung machen”

Nach dem soliden 2:0-Auwärtssieg in Nürnberg war der Optimismus des Übungsleiters durchaus angebracht, und mehr als 43.000 Zuschauer waren trotz Marathon ins Olympiastadion gepilgert, um ihre Hertha siegen zu sehen. Und es waren tatsächlich fast ausschließlich Hertha-Fans, die sich im weiten Rund befanden, denn aus Elversberg hatten lediglich rund 100 Anhänger die Reise in die Hauptstadt angetreten, der Block der Gästefans war weitgehend verwaist.

Dem großen Optimismus vor dem Spiel wich nach dem Abpfiff der Partie die ganz, ganz große Ernüchterung, denn nach einer desolaten und mutlosen Leistung stand in großen Lettern “1:4” auf der riesigen Anzeigetafel des Olympiastadions. Die Gäste aus Elversberg, einer Gemeinde mit nicht mehr als 13.000 Einwohnern, feierten ihren überraschenden Erfolg überschwänglich, während die Spieler in blau und weiß mit gesenkten Köpfen über den Rasen schlichen.

1:4 gegen Elversberg: Die ganz große Ernüchterung bei Hertha BSC

Es war so ziemlich alles schief gelaufen, was hätte schief laufen können an diesem Sonntagnachmittag. Ein unglücklicher, aber letztlich berechtigter Elfmeter, der zum 0:1 führte. Bei der Elfmeter-Ausführung sah Herthas Torwart Tjark Ernst wieder einmal nicht gut aus, denn der Ball, den der junge Keeper nur an den Innenpfosten lenken konnte, wirkte haltbar.

Auch beim 0:2 sah Ernst unglücklich aus, sein ungestümes Herauslaufen nach der unbeabsichtigten Verlängerung eines Passes durch Marton Dardai ermöglichte es dem Elversberger Schnellbacher, den Ball ohne viel Mühe über den Torhüter ins leere Tor zu heben. Nach einer halben Stunde führten die Gäste nicht unverdient mit 2:0.

Hertha war bemüht, aber einfallslos – Elversberg setzte empfindliche Nadelstiche

Hertha war bemüht und engagiert, konnte sich vor dem Tor der Elversberger aber kaum echte Chancen erarbeiten. Maza und Sherhant versuchten ein ums andere Mal, sich auf der linken Seite durchzuspielen, was meist misslang. Sherhant dribbelte mit dem Ball häufig so lang am Fuß, bis die Situation von der Elversberger Defensive geklärt werden konnte.

Auf der anderen Außenbahn zeigte Thorsteinsson erneut, dass die 2. Bundesliga für ihn offenbar noch eine Nummer zu groß ist, denn die Versuche des Flügelspielers, gefährliche Bälle in den Strafraum zu schaufeln, misslangen fast allesamt, auch Kenny machte ein wenig überzeugendes Spiel. Im zentralen Mittelfeld blieben die oft hochgelobten Cuisance und Demme vollkommen unauffällig, Stürmer Schuler fand überhaupt keine Bindung zum Spiel.

Herthas größte Chance im ersten Durchgang verursachte ein Verteidiger der Elversberger

Die größte Chance für die Hausherren resultierte kurz vor der Pause bezeichnenderweise aus einem Fast-Eigentor des Elversberger Innenverteidigers Rohr. Nachdem es mit 0:2 in die Pause ging, reagierte Trainer Fiél – vorerst gar nicht. Nur den angeschlagenen Zeefuik (Magenprobleme) nahm der Coach aus der Partie und brachte für ihn den in der zweiten Hälfte blassen Klemens.

Fiél traute seiner in der ersten Hälfte überforderten Mannschaft offenbar zu, das Ruder noch herumzureißen. Auch nach dem 0:3 durch Damar (52. Spielminute) sah Fiél keinen Grund dafür, neues Personal ins Spiel zu bringen. Erst als Sahin per Elfmeter in der 65. Spielminute bereits das 1:4 erzielt hatte, brachte Fiél mit Palko Dardai und Kevin Sessa neue Kräfte – aber da war das Spiel längst verloren.

Trainer Fiél wechselte erst nach dem 1:4 neue Offensivkräfte ein – da war das Spiel schon verloren

So hilflos wie der Trainer an der Seitenlinie dreinblickte wirkte auch die Hintermannschaft der Herthaner, die sich vor allem beim vorentscheidenden 0:3 vollkommen auseinander spielen ließ, der in Nürnberg noch überzeugende Leistner kam häufig zu spät und wirkte auch spielerisch zu limitiert, um das Aufbauspiel der Charlottenburger von hinten zu gestalten.

So gab es gegen eine Mannschaft, die vor dem Spiel im Olympiastadion in sechs Partien nur fünf Punkte gesammelt hatte, eine derbe Pleite, welche die sportliche Führung von Hertha BSC aufschrecken lassen sollte. Natürlich ist die lange Liste der Verletzten eine Bürde für das Team aus dem Westend, und Flügelspieler Fabian Reese wird weiterhin schmerzlich vermisst.

Herthas Stürmer erzeugen keine Gefahr, auch Maza erwischt einen gebrauchten Tag

Das kann jedoch keine Entschuldigung dafür sein, dass sich die Mannschaft derart harmlos präsentiert, sowohl defensiv als auch offensiv. Und im Sturmzentrum hat Trainer Fiél derzeit keine Verletzten zu beklagen, die nominellen Stürmer Schuler, Niederlechner und Prevljak stehen dem Übungsleiter allesamt zur Verfügung – nur sind sie derzeit nicht sonderlich gefährlich.

Zudem war mit Ibrahim Maza der derzeit wertvollste Spieler der 2. Bundesliga auf dem Platz, agierte jedoch weitgehend glücklos, bei allem Engagement. Und so kamen die Elversberger niemals wirklich in Bedrängnis, auch nicht nach dem zwischenzeitlichen 1:3-Anschlusstor durch Michael Cuisance, der die Fans im Olympiastadion an diesem Nachmittag nur kurzzeitig hoffen ließ.

Vor dem Auswärtsspiel beim FC Schalke 04 steht Trainer Fiél bereits gehörig unter Druck

Direkt nach der Partie hatte Trainer Fiél jedenfalls keine schlüssige Erklärung und äußerte gegenüber Sky: “Ich weiß nicht, ob sich der ein oder andere vor heimischem Publikum, in diesem Stadion, vielleicht selber zu viel auferlegt. (…) Wir haben heute einfach als Kollektiv nicht gut verteidigt, haben dann auch wirklich große individuelle Fehler gemacht.” Da klang schon eine gewisse Ratlosigkeit mit.

Am kommenden Samstag gastiert Hertha BSC beim ebenfalls kriselnden FC Schalke 04, der am Samstagabend noch sehr glücklich mit 2:1 in Münster gewinnen konnte. Um in der Arena auf Schalke bestehen zu können, müssen die Berliner aber ein ganz anderes Gesicht zeigen als am gestrigen Sonntag, sonst steht Neu-Trainer Fiél schon sehr viel früher unter gewaltigem Druck, als er sich das vor der Saison wohl hätte ausmalen können.

 

Quellen: Sky, IMAGO, Kicker, Der Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, Fußball-Woche

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