Union Berlin ist einer der letzten eingetragenen Vereine in der Bundesliga. Die Rechtsform scheint also nicht mehr zeitgemäß zu sein. Deshalb denkt Präsident Dirk Zingler derzeit laut darüber nach, dem Club eine neue Struktur zu verleihen – und löst damit eine Debatte über dessen Identität aus.
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Text: Alexander Kords
Union Berlin, SC Freiburg, FSV Mainz 05, FC St. Pauli, Holstein Kiel – das ist die Liste der eingetragenen Vereine, die derzeit in der Bundesliga aktiv sind. Alle anderen 13 Clubs haben ihre Profifußball-Abteilung als GmbH oder Aktiengesellschaft ausgegliedert.
Man könnte also meinen, dass jede Menge Nostalgie mitschwingt, wenn ein Club in der höchsten deutschen Spielklasse nach wie vor auf die Rechtsform e.V. setzt. Und für Nostalgie ist Union Berlin bekanntlich immer zu haben. Daher überrascht der Vorstoß von Dirk Zingler ein wenig.
Union Berlin: Präsident Zingler stellt Rechtsform infrage
Auf der Mitgliederversammlung Anfang Oktober stellte Zingler die Frage, „ob der eingetragene Verein für unsere Organisation auf lange Sicht noch die richtige Rechtsform ist“. Explizit sprach der Club-Präsident die „wirtschaftlichen Dimensionen“ an, die Union Berlin inzwischen erreicht hat.
In der Saison 2023/2024 erzielte der Club einen Umsatz von rund 186 Millionen Euro. Das ist ein neuer Rekord, der nicht nur durch die Teilnahme an der Champions League zu erklären ist. Beim Aufstieg in die Bundesliga 2019 lag der Umsatz gerade einmal bei rund 60 Millionen Euro. Und obwohl in der aktuellen Spielzeit keine Einnahmen aus der Champions League zu verzeichnen sind, strebt der Verein rund 177 Millionen Euro Umsatz an. Mit diesen Zahlen ist Union Berlin im oberen Mittelfeld der Bundesliga zu finden.
1. FC Union Berlin: Was für eine Abkehr vom e.V. spricht
Einer der Gründe, die für eine Ausgliederung der Profifußballer aus dem 1. Fußballclub Union Berlin e. V. spricht, ist der Umstand, dass alle Abteilungen eines eingetragenen Vereins finanziell verbunden sind. Gerät also der Kinder- und Jugendbereich in Schwierigkeiten, dann geht dies zu Lasten des Profibetriebs. Zudem muss ein Verein nachweisen, dass er gemeinnützig handelt.
Daher kann er keine größeren Rücklagen bilden, um sich etwa auf die finanziellen Herausforderungen einer neuerlichen Pandemie vorzubereiten. Darüber hinaus kommen Kapitalgesellschaften wie GmbHs und AGs leichter an Fremdkapital als eingetragene Vereine. Und nicht zuletzt spricht das Vereinswesen an sich für eine Ausgliederung der Profiabteilung. Denn nicht selten sorgen Bürokratie und Formalitäten dafür, dass Entscheidungen in einem e.V. viel Zeit brauchen. Und das kann im schnelllebigen Fußballgeschäft zu einem Problem werden.
Warum viele Union-Fans gegen eine Ausgliederung sind – und was die Lösung sein könnte
Auch wenn es im modernen Fußball zuvorderst darum zu gehen scheint, möglichst viel Geld zu verdienen, bilden doch die Fans das Rückgrat jedes Clubs. Daher ist den meisten von ihnen daran gelegen, die Basis nicht zu verlieren – Union wohl noch viel mehr als anderen Bundesligisten. Eine Abkehr vom Vereinswesen könnte daher einen Bruch mit den Fans nach sich ziehen – zumindest dann, wenn sie nicht nachvollziehbar kommuniziert und argumentiert wird. Deshalb bat Dirk Zingler die Mitglieder des Clubs darum, sich aktiv an der Lösungsfindung zu beteiligen.
Gesucht wird demnach eine Rechtsform, mit der der Spagat zwischen einer unternehmerischen Weiterentwicklung und dem gewohnten Mitspracherecht der Fans gewährleistet ist. Die Rechtsformen, die derzeit in der Bundesliga gängig sind – die GmbH, die GmbH & Co. KG und die AG –, lassen dies jedoch nur sehr eingeschränkt zu. Rechtsformen, von denen in diesem Zusammenhang immer mal die Rede ist, sind die gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) und die Genossenschaft. Dies wären Konstruktionen, die den Fans ein gewisses Mitspracherecht einräumen würden – zumindest theoretisch.
Gretchenfrage: Wieviel Mitspracherecht hätten Unions Fans in einer neuen Rechtsform?
Praktisch wäre es schwierig, zu verargumentieren, dass es sich bei einem Profifußballverein um ein gemeinnütziges Projekt im Sinne einer gGmbH handelt. Eine Genossenschaft verstößt ihrerseits gegen die Statuten der 50+1-Regel, weil jeder Besitzer von Genossenschaftsanteilen eine Stimme hat – ganz gleich, um wie viele Anteile es sich handelt. Dadurch würde auch der Club lediglich eine einzige Stimme haben und nicht 50 Prozent, wie es vorgeschrieben ist.
Es wird also spannend sein, zu beobachten, wie es bei Union Berlin in dieser Angelegenheit weitergeht. Finden die Entscheider eine Lösung, die alle zufriedenstellt, oder wählen sie die Rechtsform, die ihnen aus wirtschaftlicher Sicht die meisten Vorteile bringt? Oder bleibt am Ende doch alles so, wie es ist?
Quellen: rbb, Wikipedia
Der Club könnte doch 50+1% der Genossenschaftsanteile besitzen und den Rest an die Fans abtreten?