Ein stotternder Sturm, defensive Schwächen und ein Torwart in der Formkrise: Hertha BSC droht, im Aufstiegskampf den Anschluss zu verlieren. Namen wie Choupo-Moting und Modeste geistern durch den Berliner Westend, aber können sie wirklich die Lösung für Herthas Ergebnisflaute sein?
Text: Björn Leffler
© Fotos: IMAGO / Matthias Koch
Es waren mehrere Namen, die im Verlauf der Woche plötzlich durch die Medien geisterten und mit denen Zweitligist Hertha BSC in Verbindung gebracht wurde. Einer war Eric-Maxime Choupo-Moting, ein anderer war Anthony Modeste.
Beide Stürmer, es fällt schnell auf, sind derzeit vereinslos und könnten Herthas schwächelnde Sturmreihe ergänzen, so sie denn verpflichtet würden. Choupo-Moting soll nach aktuellen Meldungen aber eher ein Engagement in der US-Liga MLS vorziehen, und ob der mittlerweile 36-jährige Modeste tatsächlich die gewünschte Verstärkung im Sturmzentrum der Berliner wäre, ist fraglich.
Hertha sondiert den Markt – kommt im Winter ein weiterer Stürmer?
Dass Hertha ganz offensichtlich den Markt nach möglichen Stürmern sondiert, zeigt deutlich, dass im Berliner Westend längst die Erkenntnis gereift ist, dass mit dem aktuellen Personal der angestrebte Aufstieg wohl nicht zu realisieren ist – selbst wenn der derzeit verletzte Fabian Reese in den kommenden Wochen in den Kader zurückkehren sollte.
Trainer Christian Fiél hat vor dem Auswärtsspiel am Freitag beim 1. FC Magdeburg zumindest angedeutet, dass Reese im Spieltagskader stehen wird, doch wie lang der Flügelstürmer zum Einsatz kommen wird und wie hilfreich er dann schon sein wird, das ist derzeit schwer einzuschätzen.
Hoffnungsträger Fabian Reese wird zum Auswärtsspiel nach Magdeburg reisen
Und selbst wenn Reese schnell zu alter Form zurückfindet, wird ihm in der Mitte ein Abnehmer für seine gefährlichen Flanken fehlen. Der Verwerter, der in der vergangenen Saison immerhin 21 Tore für Hertha BSC erzielt hat, Haris Tabakovic, versucht sein Glück derzeit bei der TSG Hoffenheim, mit bislang eher mäßigem Erfolg.
Bei Hertha hat der Bosnier gleichzeitig eine große Lücke hinterlassen, welche die aktuellen Stürmer bislang nicht füllen können. Luca Schuler konnte die in ihn gesetzten Erwartungen bislang nicht erfüllen, Florian Niederlechner trifft ebenfalls zu selten und auch Derry Scherhants Trefferquote ist überschaubar.
Niederlechner, Scherhant, Schuler: Haris Tabakovic konnten sie bislang nicht ersetzen
Smail Prevljak, bislang fast ausschließlich auf der Auswechselbank der Charlottenburger zu finden, kann bislang nur ein einziges Saisontor vorweisen, ein verwandelter Foulelfmeter in Gelsenkirchen. Allerdings hatte der Stürmer auch nur wenige Gelegenheiten, seine Trefferquote zu verbessern, denn Spielzeit erhielt der Angreifer bislang kaum.
Dass der Abstand auf die Aufstiegsränge für Hertha BSC – derzeit sind es bis zum Relegationsplatz nur vier Punkte – nicht bereits deutlich größer ist, haben die Blauweißen dem Umstand zu verdanken, dass bislang fast alle Mannschaften in der oberen Tabellenhälfte Probleme damit haben, konstante Leistungen zu zeigen.
Viele Mannschaften der 2. Liga spielen derzeit zu inkonstant – was Hertha in Schlagweite hält
Und so liegen die Mannschaften der zweiten Liga so dicht beieinander, dass bis zum zwölften Platz – diesen belegt derzeit Hertha BSC – quasi alle noch die Möglichkeit haben, in das Rennen um die Aufstiegsplätze einzugreifen.
Doch wenn ambitionierte Mannschaften wie etwa der Karlsruher SC, Hannover 96, Fortuna Düsseldorf oder der 1. FC Köln ihre Form wiederfinden und Spiele gewinnen, sind sie für Hertha, das nun seit drei Spielen auf einen Sieg wartet und aus diesen drei Spielen lediglich einen Punkt geholt hat, kaum noch einzuholen.
Der HSV hat zwei Punkte mehr als Hertha – und soeben seinen Trainer entlassen
Hinzu kommen Mannschaften wie der SC Paderborn (derzeit Tabellenführer) oder der SV Elversberg (aktuell Tabellendritter), die derzeit erstaunlich stabil performen. Auch der HSV, der mit zwei Punkten mehr auf dem Konto (als Hertha) gerade seinen Trainer entlassen hat, wird mit dem auf dem Papier nominell stärksten Kader der Liga noch einmal neu angreifen wollen.
Herthas Team jedoch wirkt im Vergleich – nicht nur durch die zahlreichen Verletzungen – häufig zu unausgewogen besetzt und oft wenig schlagfertig. Ein weiteres Problem ist, dass Torwart Tjark Ernst zum wiederholten Mal mit einer Formkrise kämpft und sowohl in Darmstadt als auch beim Heimspiel gegen den SSV Ulm nicht gut aussah und Tore kassierte, die nicht wirklich unhaltbar schienen.
Verbesserungsbedarf scheint es bei Hertha gerade in allen Mannschaftsteilen zu geben
Verbesserungsbedarf scheint es bei Hertha derzeit jedenfalls in verschiedenen Mannschaftsteilen zu geben, nicht nur im Sturm. Potenzielle Leistungsträger wie Diego Demme oder Michael Cuisance bleiben hinter ihren Erwartungen zurück, Ibrahim Maza wirkt im Mittelfeld oft isoliert. Da auch die Abwehr viel zu anfällig ist, fällte Vereinslegende Kjetil Rekdal, der am vergangenen Samstag im Stadion war, ein klares Urteil. Eine Aufstiegsmannschaft habe er nicht gesehen äußerte Rekdal im Interview mit dem Kicker.
So fand der schönste Moment des Nachmittags bereits vor dem Spiel statt, als Herthas Trainer-Ikone Jürgen Röber vor der Ostkurve stand und von den Fans gefeiert wurde. Röber kamen die Tränen, und vielen Anhängern auf der Tribüne wird es ähnlich ergangen sein. Die Erinnerung an Herthas große Zeit vor 25 Jahren macht die derzeit sportlich ernüchternde Lage umso deutlicher.