Fußball auf Kunstrasen: Gute Alternative oder ökologische Belastung?

Die ewig junge Diskussion, fast so leidenschaftlich geführt wie der Streit um den VAR: Naturrasen oder Kunstrasen, welches ist der bessere Untergrund, um darauf Fußball zu spielen? Wir haben uns der Sache einmal angenommen und haben dabei einen sinnvollen Kompromiss gefunden.

© Foto Titelbild: GOOLAZO BERLIN
Text: Björn Leffler

 

In der vergangenen Woche berichteten wir darüber, dass nur etwa die Hälfte des Kunstrasens, der in der Berliner Fanzone zur EURO 2024 verlegt worden war, wiederverwendbar ist. Rund 11.000 Quadratmeter des verlegten Geläufs sollen an Berliner Vereine und Schulen vergeben werden.

Doch ist Kunstrasen überhaupt noch ein zeitgemäßes Geläuf, um darauf Fußball zu spielen? Vor allem aus ökologischen und medizinischen Gesichtspunkten wird Kunstrasen immer wieder sehr kritisch bewertet. Wir haben uns dem Thema einmal angenommen und wagen eine objektive Gegenüberstellung von Kunst- und Naturrasen.

Naturrasen oder Kunstrasen? Eine Gegenüberstellung

Der erste Kunstrasen der Welt wurde bereits 1966 in den U.S.A. verlegt – im Astrodome in Houston, auf einem Baseballfeld. Allerdings handelte es sich hier eher um eine Notlösung. Aufgrund einer Fehlplanung beim Bau des neuen Stadions wuchs der Naturrasen nicht wie gewünscht. Lösung war eine Kunsttorfmatte, die mit dem natürlichen Rasen nur die Farbe grün gemein hatte.

Als Franz Beckenbauer und Pelé Ende der 1970er Jahre gemeinsam für Cosmos New York auf Torejagd gingen, wurde dort bereits fast ausnahmslos auf Kunstrasen gespielt. In Deutschland hielt Kunstrasen erst deutlich später Einzug. Berlin ist – im Vergleich mit anderen Ballungszentren Deutschlands – ein wahres “Kunstrasenmekka”. Beispielsweise wird in Hamburg oder in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens noch immer vermehrt auf Asche oder Naturrasen gekickt. In der Hauptstadt hingegen lernt der Amateur- und Freizeitkicker sehr schnell, dass es hier in Sachen Spielbelag – mit wenigen Ausnahmen – nur eine Währung gibt, und die heißt: Kunstrasen!

Bauherren, Vereine und Städteplaner müssen entscheiden, welcher Belag am besten geeignet ist

Die Frage nach dem passenden Spielbelag für Fußballplätze beschäftigt heutzutage Bauherren, Vereine und Städteplaner gleichermaßen. Natur- und Kunstrasen unterscheiden sich in ihrer Beschaffenheit, Pflegeintensität und den Auswirkungen auf die Umwelt. Gleichzeitig sind auch die Spielqualität und die langfristigen Kosten wichtige Entscheidungskriterien.

Naturrasen wird aus ökologischer Perspektive oft bevorzugt, da er zur CO₂-Bindung beiträgt und Mikroklimata auf Sportplätzen positiv beeinflusst. Ein gut gepflegter Naturrasen unterstützt die Biodiversität und reguliert durch die natürliche Verdunstung Feuchtigkeit und Temperatur. Allerdings erfordert seine Pflege eine regelmäßige Bewässerung und den Einsatz von Düngemitteln, was in Regionen mit Wassermangel problematisch sein kann.

Naturrasen ist ökologisch sinnvoller, Naturrasen ist stärker belastbar

Kunstrasen hingegen punktet durch seine Unabhängigkeit von Witterung und Pflegeaufwand. Da er weniger Wasser und keine Düngemittel benötigt, wird seine Umweltbelastung in der Nutzung als geringer eingeschätzt. Jedoch ist der Herstellungsprozess energieintensiv, und das verwendete Kunststoffmaterial kann Mikroplastik freisetzen, das die Umwelt schädigt. Selbst moderne recycelbare Varianten können diese Probleme nicht vollständig umgehen, da die Entsorgung und das Recycling von Kunstrasen weiterhin Herausforderungen darstellen.

Die Spielqualität ist für Fußballer auf höchstem Niveau von entscheidender Bedeutung. Naturrasen bietet durch seine weiche, federnde Struktur einen natürlichen Widerstand, der zu einem authentischen Ballverhalten führt und besonders bei Lauf- und Dribbeltechniken den meisten Spielern entgegenkommt. Viele Fußballer bevorzugen daher den Spielkomfort auf Naturrasen und fühlen sich in puncto Sicherheit und Verletzungsprävention besser aufgehoben. Das natürliche Bodenverhalten reduziert die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen, da der Rasen bei schnellen Stopps und Drehungen nachgibt.

Höhere Verletzungsgefahr für Sportler auf Kunstrasen

Kunstrasen hingegen bietet eine konstant gleichmäßige Spielfläche und bleibt auch bei starkem Regen bespielbar, was zu einer höheren Verfügbarkeit und Spielintensität führt – ein sehr wichtiger Faktor im Vereins- und Breitensport. Allerdings wird häufig über eine stärkere Belastung von Gelenken und Bändern auf Kunstrasen geklagt, da die Spielfläche weniger nachgiebig ist. Moderne Kunstrasen-Varianten versuchen, diese Problematik durch eine elastische Schicht unter dem Rasen zu mindern, jedoch bleibt das Spielgefühl im Vergleich zu Naturrasen unterschiedlich.

Ein klarer Vorteil von Kunstrasen ist seine hohe Belastbarkeit. Da der Belag wetterfest ist, kann er unabhängig von Witterungsbedingungen und Jahreszeiten genutzt werden. Dies ist besonders in Stadien und auf Trainingsgeländen mit hoher Nutzungsfrequenz vorteilhaft. Außerdem benötigt Kunstrasen im Vergleich zu Naturrasen einen geringeren Pflegeaufwand: Es entfallen das regelmäßige Mähen, Wässern und Düngen.

Hohe Kosten: Naturrasen muss kontinuierlich gepflegt werden

Naturrasen hingegen muss für eine hohe Spielqualität kontinuierlich gepflegt und nach starkem Spielbetrieb regelmäßig regeneriert werden. Diese Pflegeintensität ist kosten- und arbeitsaufwendig und erfordert spezifisches Fachwissen. Besonders bei intensiver Nutzung und starkem Wetterwechsel zeigt Naturrasen seine Schwächen und muss gegebenenfalls nachgesät oder ausgebessert werden.

Die finanziellen Aspekte spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Belag. Kunstrasen weist höhere Anfangsinvestitionen auf, die jedoch durch die geringeren laufenden Wartungskosten teilweise ausgeglichen werden können. Langfristig kann Kunstrasen daher kosteneffizienter sein, insbesondere wenn er in hochfrequentierten Anlagen eingesetzt wird.

Die Anschaffung und Pflege eines Naturrasens ist kostengünstiger, erfordert jedoch durch den höheren Wartungsaufwand über die Jahre hinweg kontinuierliche Investitionen. Vereine und Einrichtungen, die eine natürliche Spielfläche bevorzugen, müssen die zusätzlichen Betriebskosten für Wasser, Düngemittel und Arbeitskräfte einplanen, um den Rasen in gutem Zustand zu halten.

Kompromiss aus Natur- und Kunstrasen: Der Hybridrasen

In den vergangenen Jahren hat noch eine weitere Variante Einzug gehalten, der sogenannte Hybridrasen, der vor allem im Profisport eingesetzt wird. Hybridrasen kombiniert die Vorteile von Kunstrasen und Naturrasen, indem er die Belastbarkeit und Haltbarkeit von Kunstrasen mit dem Spielkomfort und der ökologischen Nachhaltigkeit von Naturrasen verbindet.

Er besteht in der Regel aus einer Basisstruktur aus Kunstrasenfasern, die fest in den Boden integriert sind und als Stützgerüst dienen. In diese Struktur wird Naturrasen eingesät, dessen Wurzeln sich um die synthetischen Fasern schlingen, was dem Rasen zusätzliche Stabilität und Widerstandsfähigkeit verleiht.

Im Berliner Olympiastadion wurde zur EURO 2024 ein Hybridrasen verlegt

Diese Konstruktion ermöglicht eine erhöhte Nutzung und Strapazierfähigkeit, da die Kunstrasenfasern den natürlichen Rasen bei intensiver Beanspruchung unterstützen und verhindern, dass sich der Rasen zu schnell abnutzt oder ausdünnt. Gleichzeitig bewahrt die Anwesenheit des Naturrasens das natürliche Ballverhalten und Spielgefühl, das viele Spieler bevorzugen. Hybridrasen ist dadurch besonders für Stadien und Trainingsplätze mit hohem Spielbetrieb geeignet, da er eine gleichmäßige Spielfläche und ein authentisches Spielerlebnis bietet, während er die Kosten und den Pflegeaufwand gegenüber reinem Naturrasen reduziert.

Vor der Fußball-Europameisterschaft wurde ein solcher Rasen etwa im Berliner Olympiastadion verlegt. Nach dem Turnier lobte die UEFA diesen Rasen als beste Spielfläche des gesamten Turniers, während andere Ausrichterstädte wie etwa Frankfurt große Probleme mit ihrem Naturrasen hatten, der nicht richtig angewachsen war.

Kunstrasen und Naturrasen haben beide Vor- und Nachteile

Zusammengefasst gibt es keine pauschale Empfehlung für den idealen Spielbelag, da beide Varianten – Kunstrasen und Naturrasen – spezifische Vor- und Nachteile bieten. Kunstrasen eignet sich besonders für Sportanlagen mit hoher Nutzungsfrequenz und in Regionen, wo Wasserressourcen begrenzt sind oder extreme Wetterbedingungen herrschen.

Naturrasen hingegen überzeugt durch seine ökologische Nachhaltigkeit und bietet in Bezug auf Spielgefühl und Sicherheit Vorteile, die von vielen Profisportlern geschätzt werden. Die Entscheidung zwischen Natur- und Kunstrasen sollte daher individuell auf die Anforderungen und Bedingungen des jeweiligen Standorts abgestimmt werden.

Eine fundierte Abwägung der ökologischen, spieltechnischen und wirtschaftlichen Faktoren bietet die beste Grundlage, um eine zukunftssichere Wahl zu treffen. Die immer stärker aufkommende Form des Hybridrasens ist für viele Vereine ein optimaler Kompromiss, aufgrund der hohen Produktions- und Pflegekosten allerdings eher keine Option für den Amateur- und Breitensport.

Mikroplastik durch Naturrasen: Alternative Korkgranulat?

Anzumerken bleibt am Ende aber noch, dass die Produktion von Kunstrasen aus ökologischer Sicht mindestens bedenklich ist. Bei der Nutzung kommt es durch den Abrieb der Kunstrasenfasern zur Freisetzung von Mikroplastik, das in Böden und Gewässern landen kann und langfristig die Umwelt belastet. Besonders problematisch ist der Eintrag von Mikroplastik in Flüsse und Meere, wo es von kleinen Organismen aufgenommen wird und die Nahrungskette beeinflusst.

Häufig wird der Kunstrasen meist auf einer Grundlage aus Gummigranulat verlegt, das ebenfalls Mikroplastik enthält und zusätzlich die Bodenqualität beeinträchtigen kann. Derzeit wird die Verwendung von Korkgranulat als ökologisch verträglichere Alternative geprüft, aber genaue Erkenntnisse gibt es hierzu bislang noch nicht.

 

Welches ist der bessere Belag, um darauf Fußball zu spielen? Ist es der in Berlin sehr verbreitete Kunstrasen… / © Foto: GOOLAZO BERLIN
…oder doch der Naturrasen? / © Foto: GOOLAZO BERLIN

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