Seit der WM 2006 ist es gewohnte Routine, dass zu einem anstehenden WM- oder EM-Turnier die Straße des 17. Juni gesperrt wird, um dort die Fanmeile für das Public Viewing herzurichten. Aber hat Berlin nicht mehr zu bieten als das immer gleiche Ensemble zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor? Plädoyer für einen Standortwechsel.
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Text: Björn Leffler
Als Deutschland 2006 Ausrichter der Fußball-WM war, wurde das „Fanfest“ in die Welt gerufen und in allen deutschen Städten sogenannte „Fanmeilen“ errichtet, also weitläufige “Public Viewing Areas”, die ein gemeinschaftliches Schauen aller Spiele ermöglichten, vor allem jene Spiele der deutschen Mannschaft.
Selbstverständlich gab es solche Veranstaltungen bereits Jahrzehnte vor der WM 2006, dennoch wird dieses Turnier gemeinhin – fälschlicherweise – als Geburtsstunde des „Public Viewing“ gefeiert. Wahr ist vielleicht, dass es den Begriff seit der WM 2006 gibt, das gemeinschaftliche Fußballschauen gab es natürlich längst vorher.
Seit der WM 2006 gibt es den Begriff “Public Viewing”
Seit die Fanmeile auf der Berliner Straße des 17. Juni in diesem Sommer 2006 zu einem überwältigenden Erfolg avancierte, wurde das Konzept ein ums andere Mal neu aufgelegt, sei es nun zum Champions League Finale oder im zweijährigen Rhythmus, wenn eine Welt- oder Europameisterschaft anstand – mit Ausnahme der Corona-Pandemie und der winterlichen WM in Katar natürlich.
Die Fanmeile erfreute sich dabei mal mehr und mal weniger Beliebtheit, aber da die deutsche Mannschaft bis zur WM 2018 immer mindestens unter die letzten vier Teams kam, war die Fanmeile aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten vermutlich ein stets lohnendes Geschäft. Zum mittlerweile neunten Mal soll die Fanmeile im kommenden Jahr, zur anstehenden Europameisterschaft 2024, am Brandenburger Tor errichtet und der Tiergarten wieder einmal für mehrere Wochen zum verkehrsbefreiten Bereich erklärt werden.
Hat Berlin nicht mehr zu bieten als Siegessäule und Brandenburger Tor?
Dabei drängt sich die Frage auf, ob dies eigentlich wirklich noch notwendig ist? Wir spielen hier aber nicht die verärgerte Pkw-Fraktion, die sich über die gesperrte Straße des 17. Juni ärgert, und auch nicht die latenten Spielverderber, die eine generelle Abschaffung der “Puclic Viewing Area” fordern. Aber hat Berlin nicht mehr zu bieten als die ewig gleichen Bilder vom mittlerweile recht abgenutzten Einheitsdenkmal Brandenburger Tor?
Sollte es für die Stadt nicht vielmehr eine reizvolle Idee sein, alle zwei Jahre einen neuen, spannenden Standort auszuwählen, dessen Bilder dann hinaus in die Welt getragen werden? Immerhin ist das Ziel einer solchen Aktion ja auch, Werbung für den Tourismus-Standort Berlin zu machen – neben den sehr gern in Kauf genommenen Einnahmen aus Gastronomie- und Fanartikelverkäufen.
Sollte die Fanmeile nicht an wechselnden Berliner Standorten durchgeführt werden? Wir haben Vorschläge!
Berlin als weitläufige und äußerst vielfältige Millionenmetropole besticht ja gerade durch den Reiz, nicht auf wenige berühmte Sehenswürdigkeiten oder Stadtteile beschränkt zu sein (wie etwa Städte wie Köln oder München), sondern eine enorme Vielfalt an attraktiven Möglichkeiten zu bieten.
Wir haben uns einmal fünf mögliche Plätze für Public-Viewing-Veranstaltungen der kommenden Turniere angesehen und denken, dass Berlin sich einmal trauen sollte, vom geliebten und “sicheren” Standort am Brandenburger Tor abzuweichen, um der Welt und sich selbst zu zeigen, dass es hier noch mehr gibt als den Platz des 18. März. Noch sehr viel mehr sogar.
Option 1: Das Tempelhofer Feld
Vorausgesetzt ein Teil der Freifläche wird für die Nutzung als “Public Viewing-Area” freigegeben, böte sich hier eine ideale Freifläche, die robust genug ist, um problemlos hunderttausende Zuschauer aufzunehmen und den übrigen Parkbesuchern dennoch genügend Bewegungsspielraum übrig lassen würde, so dass sich in den Turnierwochen niemand wirklich einschränken müsste.
Option 2: Der Treptower Park
Der wunderschöne, großflächige Treptower Park hat während der Ausrichtung des Lollapalooza-Festivals bewiesen, dass er sich als Freifläche für Großveranstaltungen wunderbar eignet. Die Parkfläche am sowjetischen Ehrenmal wäre von der Veranstaltung natürlich auszunehmen. Die Lage am Wasser bietet hier zusätzliche Möglichkeiten der Entspannung, die direkte Lage am S-Bahn-Ring ist ideal.
Option 3: Der Olympiapark
Der 1. FC Union hat es während der WM 2014 mit dem „Wohnzimmer Alte Försterei“ bereits äußerst kreativ vorgemacht, und auch in anderen Städten wie München (Olympiastadion) oder Frankfurt (Commerzbank Arena) wurden zur letzten Weltmeisterschaft die Stadien für große Public-Viewing-Veranstaltungen genutzt, mit großem Erfolg. Charmant ist hierbei, dass nicht nur das Stadion, sondern auch die Freifläche auf dem angrenzenden Maifeld genutzt werden könnte.
Option 4: Das Regierungsviertel
Da die Freifläche direkt vor dem Reichstag wohl zu empfindlich für vier Wochen Zuschauerverkehr auf dem teuren Rasen wäre, böten sich alternativ die Freiflächen im direkt angrenzenden Regierungsviertel als Public-Viewing-Area an, zumal hier der Großteil der Flächen zur Spree hin ansteigt, was eine komfortable Sicht auf die Leinwände ermöglichen würde. Und die Politiker könnten dem Volk dann tatsächlich einmal sehr nah kommen.
Option 5: Der Volkspark Hasenheide
Auf der großen, langgezogenen Freifläche im Zentrum von Neuköllns größtem Stadtpark findet im Mai üblicherweise ein großes Volksfest statt, die „Neuköllner Maientage“. Dann wimmelt es hier nur so von Besucherinnen und Besuchern, die sich in Scharen zwischen Bratwurstbuden und Karussells über die Freifläche schieben. Ein Ort also, der sich bereits als funktionierende Veranstaltungsfläche etabliert hat und zudem gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden ist.
Quellen: Bezirksamt Neukölln, berlin.de, Fußball Woche, Landessportbund Berlin