Lokale Unternehmen und Genossenschaft: Herthas Ausweg aus der Investorenfalle?

Hertha BSC steht vor einer finanziellen Herausforderung: Der aktuelle Investor 777 Partners plant mutmaßlich den Verkauf seiner Anteile, was dem Verein die Chance bietet, sich durch eine Genossenschaft oder lokale Investoren finanziell unabhängig zu machen. Fans und Mitglieder diskutieren bereits über Möglichkeiten, den Verein “zurückzukaufen” und langfristig zu stabilisieren.

© Foto Titelbild: IMAGO / Nordphoto
Text: Björn Leffler

 

Geldknappheit hat beim aktuellen Zweitligisten Hertha BSC in gewisser Weise Tradition, schon in den 1970er Jahren musste der Verein seine sportliche Heimat, die Plumpe, aufgrund von finanziellen Engpässen verkaufen. Das legendäre, altehrwürdige Stadion wurde abgerissen, heute steht dort eine Wohnanlage.

Auch in der jüngeren Vergangenheit waren die Finanzen eines der größten Sorgenkinder des Hauptstadtvereins. Vor rund zehn Jahren war der US-Finanzinvestor KKR (Kohlberg Kravis Roberts & Co.) bei Hertha BSC eingestiegen, im Juni 2019 war es schließlich Lars Windhorst, der rund 225 Millionen Euro in den Verein investierte.

Seit 2014 hat Hertha BSC unterschiedliche Investoren im Verein

Auf Windhorst folgte die amerikanische Investmentgesellschaft 777 Partners mit Sitz in Miami. Das 2015 gegründete Unternehmen ist in den vergangenen Jahren bei mehreren Fußballmannschaften eingestiegen, darunter Genoa CFC in Italien, Standard Liège in Belgien, Red Star F.C. in Frankreich, CR Vasco da Gama in Brasilien – und eben Hertha BSC.

Doch das Unternehmen ist unlängst in Schwierigkeiten geraten, laut der norwegischen Plattform Josimar plant das Private-Equity-Unternehmen wegen finanzieller Probleme den Verkauf seines gesamten Fußball-Portfolios. Dies wurde bereits im Frühjahr des Jahres erstmalig bekannt.

Plant 777 Partners den Verkauf seiner Anteile an Hertha BSC?

Im Frühjahr 2023 hatte 777 Partners die 64,7 Prozent der Hertha-Anteile von Lars Windhorst und seiner Tennor Holding übernommen und erhöhte die Beteiligung für 100 Millionen Euro auf 78,8 Prozent. Ein großer Teil dieser Summe wurde bereits in mehreren Tranchen an Hertha BSC ausgezahlt – und rettete den Verein im vergangenen Jahr mutmaßlich vor der Insolvenz.

25 Millionen Euro sind allerdings noch offen, diese muss das Unternehmen gemäß Vereinbarung noch an Hertha BSC überweisen. Der Verein muss seinerseits im November 2025 eine Anleihe von 40 Millionen Euro bedienen, ist also auf frisches Geld angewiesen.

777 Partners soll seine Anteile zu einem deutlich niedrigeren Preis anbieten

Alles wie immer also? Nicht ganz. Denn 777 Partners soll laut Recherchen des RBB sowie des Kicker seine Anteile derzeit zu einem deutlich niedrigeren Kaufpreis auf dem Markt anbieten. Von einem Wert deutlich unter 100 Millionen Euro ist da die Rede, teils sogar unter 70 Millionen Euro, also ein Bruchteil des früheren Wertes.

Nun stellt sich die Frage, ob eine solche Summe nicht in Reichweite lokaler, Berliner Investoren wäre, um den Verein – womöglich auch im Verbund mehrerer Geldgeber – aus dem 777-Portfolio herauszukaufen. Dem RBB bestätigte Geschäftsführer Tom Herrich auf Anfrage, dass Hertha BSC sich mit diesem Thema bereits befasse und einen Arbeitsstab eingerichtet habe, der sich dem Thema widmet.

Hertha beschäftigt sich mit dem Rückkauf seiner Anteile – braucht aber Partner

Wenn der Investor veräußern möchte, haben wir ein Vorkaufsrecht und ein Vetorecht,” sagt Interimspräsident Fabian Drescher zur Thematik – das ist soweit nicht neu. Doch welche realistischen Alternativen hat Hertha BSC tatsächlich? Es gibt Stimmen unter den Hertha-Fans sowie den rund 54.000 Mitgliedern, die offen anbieten, den Verein finanziell zu unterstützen, um die Kontrolle zurückzugewinnen.

Was die Ostkurve seit Jahren auf Spruchbändern und mit Choreografien fordert, soll möglich gemacht werden: eine finanzielle zumindest teilweise Unabhängigkeit des Vereins, die es seit rund einem Jahrzehnt nicht mehr gegeben hat. Denn heute ist der Zweitligist, auch wenn formal die 50+1-Regel eingehalten wird, vom Geld des Investors aus den USA enorm abhängig.

Fans von Hertha BSC diskutieren über Möglichkeiten, den Verein finanziell zu stabilisieren

In den sozialen Medien entstehen vermehrt Diskussionen und Umfragen darüber, wie viel Geld Fans und Mitglieder bereit wären, beizutragen, um diese jahrelange finanzielle Abhängigkeit zu beenden, es werden verschiedene Rechenbeispiele aufgestellt. Eine mögliche Lösung, die durchaus ernsthaft diskutiert wird, ist die Gründung einer Genossenschaft, eine im Fußball noch weitgehend ungenutzte Struktur.

Bei einer Genossenschaft hat jedes Mitglied, unabhängig von der Höhe seiner Investition, eine Stimme, was langfristige Stabilität fördern soll. Die Umsetzung einer solchen Idee könnte eine radikale Veränderung der Vereinsstrukturen darstellen – und wäre eine Art Modellprojekt im modernen Fußball, zumindest in Deutschland.

Eine Genossenschaft aus Mitgliedern zur Stabilisierung von Hertha BSC?

Der RBB hat es einmal vorgerechnet: Mit 54.000 Vereinsmitgliedern könnte also bei einem angenommenen Kaufpreis von 70 Millionen Euro für die Anteile jedes Mitglied rund 1.300 Euro beitragen, um den Verein “zurückzukaufen”. Dies wäre eine beispiellose aber nicht vollkommen abwegige Möglichkeit für die Fans, direkt an der Zukunft ihres Vereins mitzuwirken und ihm neue Stabilität zu verleihen.

Natürlich müsste es Beteiligungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Dimensionen geben, da die finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Fans sehr unterschiedlich ausgeprägt sind – sowohl nach oben als auch nach unten. Um den Preis für den einzelnen Fan so gering wie möglich zu halten, könnte das Genossenschaftsmodell auch mit der oben bereits erwähnten Bildung eines lokalen Investorenbündnisses kombiniert werden.

Lokale Unternehmen als Investoren für Hertha BSC?

So könnte ein Teil der Summe durch die Genossenschaft der Mitglieder übernommen werden und ein weiterer Teil durch das Bündnis lokaler Unternehmen. Das könnten in Berlin ansässige Unternehmen sein wie etwa Zalando, Delivery Hero, Rocket Internet, HelloFresh, die Dussmann Group, Enpal oder – natürlich – die Gegenbauer Holding.

Solche Modelle wurden bereits von Vereinen wie Werder Bremen oder Arminia Bielefeld umgesetzt, wären also keine völlig neue Erfindung. Neben der Akquise neuer Partner könnte Hertha natürlich auch seine Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Sponsoren intensivieren und auch dort noch zusätzliche Gelder generieren.

Hertha BSC: Wie kann der Verein nachhaltig stabilisiert und konsolidiert werden?

Die Frage ist letztlich, wie der Verein langfristig seine Unabhängigkeit und Stabilität sichern kann, ohne permanent als Wertanlage auf dem internationalen Finanzmarkt gehandelt zu werden.

Eine Mitglieder-Genossenschaft, regionale Investorenbündnisse oder die Kombination aus beiden Modellen könnten für Hertha BSC ein möglicher Ausweg aus dem derzeitigen Dilemma sein. Die kommenden Monate werden zeigen, ob der Verein aus dem Berliner Westend die Fähigkeit hat, finanzkräftige Partner zu gewinnen oder kreative Beteiligungsmodelle für ein solches Szenario entwickeln zu können. Die Zeit drängt.

 

Seit Jahren kritisieren die Fans in der Ostkurve die Abhängigkeit des Vereins von externen Investorengeldern – und diskutieren längst mögliche Alternativen. / © Foto: IMAGO / Matthias Koch

 

Quellen: Der Tagesspiegel, RBB, Hertha BSC, Kicker, Josimar, Kohlberg Kravis Roberts & Co., 777 Partners, Tennor Holding, Wikipedia

One Reply to “Lokale Unternehmen und Genossenschaft: Herthas Ausweg aus der Investorenfalle?”

  1. Das Genossenschaftsmodell, inklusive investierender Genossen, könnt noch um ein Fördermodell ergänzt werden. Wenn man beispielsweise Genossenschaftsbeiträge erhebt, die monatlich eingezahlt werden, wäre es möglich einige Millionen pro Jahr dem Verein zur Verfügung zu stellen.
    Denkbar wären auch Anspar-Anteile, so dass man auch als wenig finanzkräftiges Mitglied investieren kann.

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