Unions Freistellung von Nenad Bjelica: kam der Schritt zu spät?

Am Montagnachmittag passierte, was bereits Tage zuvor kolportiert worden war: der 1. FC Union beurlaubte Trainer Nenad Bjelica und hofft nun offenbar, mit einem neuen Trainerteam in den letzten zwei Spielen das Ruder noch herumreißen zu können. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Vereinsführung viel zu lang an Bjelica festgehalten hat.

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Text: Björn Leffler

 

Aus den Gerüchten um den angezählten (Ex-)Trainer von Union Berlin, Nenad Bjelica, war am Montagnachmittag schließlich Gewissheit geworden. Nachdem schon im Vorfeld des Spiels gegen den VfL Bochum Gerüchte über eine vorzeitige Ablösung des Übungsleiters in den Medien aufgetaucht waren, zog die Vereinsführung nach der schmerzhaften 3:4-Niederlage gegen die Bochumer die Konsequenzen.

Der Zeitpunkt für diese Trainerentscheidung mutet, zumindest für Außenstehende, absolut fragwürdig an. Denn eine offensichtlich vollkommen verunsicherte Mannschaft zwei Spieltage vor dem Saisonende noch einmal mit einer neuen Spielphilosophie versorgen zu wollen, ist ein äußerst riskanter Ansatz.

Entlassung von Bjelica: Haben Ruhnert und Zingler zu lang gewartet?

Letztlich muss die Beurlaubung Bjelicas als Eingeständnis von Ruhnert und Zingler angesehen werden, dass die Verpflichtung des Kroaten ein Fehlgriff war, der nun sehr spät (zu spät?) noch irgendwie korrigiert werden soll.

Der Verein hatte an Bjelica festgehalten, nachdem dieser durch die im Auswärtsspiel bei Bayern München verteilte Ohrfeige für Leroy Sané stark in die Kritik geraten war. Die Vereinsführung soll schon damals über eine Ablösung Bjelicas nachgedacht haben, da die spielerische Weiterentwicklung des Teams ebenso wenig vorhanden war wie die Selbstbeherrschung des emotionalen Coaches.

Nach Bjelicas Ausraster gegen Leroy Sané hielt Union am Trainer fest

Aber da sich die Köpenicker einigermaßen solide aus der Abstiegszone gekämpft hatten, wollte die Vereinsführung wohl keine Unruhe in den Verein bringen – und letztlich auch nicht ihr eigenes Gesicht verlieren. Schließlich gehörte es bis zum vergangenen Montag überhaupt nicht zum Selbstverständnis von Union Berlin, in einer einzigen Saison drei Trainer zu verschleißen.

Die letzten Spiele hätten Ruhnert und Zingler jedoch eindeutig signalisieren sollen, dass die Mannschaft weder spielerisch noch kämpferisch dem Abstiegskampf gewachsen war und ist. Zudem wurden die taktischen Ideen Bjelicas zunehmend infrage gestellt – was bei ausbleibendem Erfolg zur Natur der Sache gehört.

Der passende Moment für eine Ablösung Bjelicas wurde verpasst

Die Chance aber, fünf oder sechs Spiele vor dem Ende noch einmal zu reagieren und dem Team die Möglichkeit zu geben, mit einem neuen Trainerteam und einem anderen spielerischen Ansatz in die schweren Aufgaben der letzten Saisonwochen zu gehen, verpasste die Vereinsführung.

Nicht erst im Spiel gegen Bochum offenbarte die Mannschaft große Defizite im Defensivverbund, was ihr einen letztlich nicht mehr einzuholenden Rückstand zur Pause einbrachte. Dabei zeichneten sich die „Eisernen“ in den vergangenen Jahren vor allem durch die große Kompaktheit der Abwehrreihe sowie des gesamten Teams aus.

Was kann das neue Trainerteam in wenigen Tagen erreichen?

Diese Kompaktheit ist mittlerweile gänzlich verloren gegangen. Durch den nun doch sehr überraschenden Trainerwechsel kurz vor dem Saisonende hofft das Führungsteam vermutlich, noch einen letzten erfolgreichen Impuls zu setzen, der das Team irgendwie über dem Strich halten soll. Eine große Neukonzeption des Spielsystems ist in der Kürze der Zeit wohl kaum zu erwarten. So eine Vorgehensweise hätte man in der Vergangenheit wohl eher dem Rivalen aus dem Berliner Westend, Hertha BSC, zugetraut.

Die zwei ausstehenden Spiele gegen Köln und Freiburg sind aufgrund der aktuellen Tabellensituation sehr schwer zu kalkulieren. Da die Kölner noch immer um ihren letzten Strohhalm kämpfen, könnte es am Samstag beim Auswärtsspiel in Köln-Müngersdorf abermals sehr ungemütlich werden für die Unioner. Mit dem SC Freiburg wartet am letzten Spieltag ein Team aus dem oberen Tabellendrittel.

Union sollte sich auf eine mögliche Relegation gegen Düsseldorf oder den HSV einstellen

Vielleicht hat die Vereinsführung mit der Entscheidung, für die restlichen Spiele Marco Grote zum Interims-Cheftrainer zu ernennen (im Verbund mit Marie-Louise Eta und Sebastian Bönig), aber gar nicht an zwei Spiele gedacht, sondern an vier mögliche weitere Partien.

Denn wenn der 1. FC Union noch auf den Relegationsplatz rutscht, stehen schwere Duelle gegen Fortuna Düsseldorf oder den Hamburger SV an. Ein Szenario, welches an der Alten Försterei sicher bereits durchgespielt wird.

 

Quellen: Kicker, Berliner Zeitung, Der Tagesspiegel, 1. FC Union Berlin, Berliner Morgenpost, Fußball-Woche

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