Bis zur 95. Minute sah Hertha BSC am Mittwochabend im Olympiastadion wie der sichere Sieger im Pokalduell mit dem Erstligisten aus Heidenheim aus – bis Paul Wanner zum vermeintlichen 2:2 traf. Was danach kam, war an Dramatik nur schwer zu überbieten.
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Text: Björn Leffler
Der Schreck kam spät, aber er kam. Über 89 Minuten hatte Hertha BSC am gestrigen Mittwochabend eine formidable Leistung gegen den favorisierten Bundesligisten aus Heidenheim gezeigt – und die Stimmung im mit 44.135 Zuschauern gefüllten Olympiastadion war prächtig, die Ostkurve war blendend aufgelegt.
Doch als die Heidenheimer mit dem Anschlusstreffer in der vorletzten Minute das Spiel noch einmal spannend machten, wurde es kurzzeitig still im Stadion – und fünf Minuten später war urplötzlich jegliche Energie von den Rängen gewichen, als Wanner zum vermeintlichen 2:2 traf.
Derry Scherhant trifft in der 16. Minute zum 1:0 für Hertha BSC
Doch der Reihe nach: Hertha ging früh und hochverdient durch Scherhant in Führung, was dem Team von Trainer Fiél Sicherheit im Spielaufbau verschaffte. Der Coach lobte seine Mannschaft später für die konzentrierte Leistung und die Disziplin auf dem Platz. Die Defensive der Berliner stand sicher und ließ kaum Chancen für die Gäste zu. Einziges Manko: aus den zahlreichen Möglichkeiten machten die Berliner in Hälfte eins zu wenig.
Die Gäste aus Heidenheim fanden bis dato kaum Lösungen gegen die Berliner Defensive und waren offensiv zu harmlos. Trainer Frank Schmidt zeigte sich am Seitenrand sichtbar enttäuscht, da seine Mannschaft nicht an ihre übliche Leistungsfähigkeit anknüpfen konnte. Trotz ihrer Bemühungen blieben sie ohne nennenswerte Chancen in der ersten Halbzeit.
In der zweiten Hälfte kam Hertha ins Bedrängnis, fand aber stets die richtigen Lösungen
In der zweiten Hälfte verstärkte der Erstligist dann den Druck auf das Berliner Gehäuse. Heidenheims Trainer Frank Schmidt hatte vor dem Wiederanpfiff zwei personelle Veränderungen vorgenommen und in der Kabine offenbar motivierende Worte gefunden, um seine Mannschaft aufzuwecken.
In der 48. Minute gelang den Gästen dann die erste gefährliche Offensivaktion durch einen Fernschuss, und sie begannen, offensiv mehr Druck zu entwickeln und aktiver am Spiel teilzunehmen. Hertha BSC passte sich dem verstärkten Druck an und stand bei Ballbesitz der Heidenheimer nun deutlich defensiver, offenbar in der Hoffnung auf einen spielentscheidenden Konter.
Hertha setzt auf Konter: Cuisance trifft zum idealen Zeitpunkt
Dieser kam tatsächlich in der 74. Minute: Nach einem langen Ball aus der eigenen Hälfte konnte sich der eingewechselte Luca Schuler im Zweikampf behaupten, dribbelte ein paar Meter und legte dann präzise auf Michael Cuisance ab. Dieser drang in den Strafraum ein und traf nach einer Körpertäuschung wuchtig zum 2:0 für die Blauweißen – das Tor, das die mutmaßliche Vorentscheidung brachte.
Doch dann nahm das Drama seinen Lauf, obwohl bis zur 89. Minute fast nichts darauf hingedeutet hatte. Aber Stefan Schimmers 1:2-Anschlusstreffer machte das Spiel noch einmal spannend, und in der 95. Minute köpfte Wanner zum 2:2 ein – es hieß also Verlängerung – oder? Nein. Denn glücklicherweise für Hertha erkannte der Linienrichter kurz zuvor ein Foulspiel und informierte Schiedsrichter Robert Kampka, der den Treffer daraufhin zurücknahm und Hertha den Sieg sicherte.
Hertha zieht verdient ins Achtelfinale ein – Heidenheims Schmidt stinksauer
Stürmer Florian Niederlechner sagte nach dem Spiel, was wohl die meisten der Hertha-Fans im Stadion dachten: “Es wäre unglaublich bitter gewesen, wenn das Tor gezählt hätte. Wir haben vor allem in der ersten Halbzeit ein herausragendes Spiel gemacht.” Auch Trainer Fiél war voll des Lobes für sein Team: “Die Mannschaft hat eine großartige Leistung gezeigt. Wir freuen uns. (…) Für mich sind wir heute verdient eine Runde weitergekommen.”
Heidenheims Trainer Schmidt sah das natürlich ganz anders. Nicht, weil er die Leistung der Berliner schmälern wollte, sondern weil Schiedsrichter Robert Kampka den Treffer der Heidenheimer zum 2:2 erst sehr verzögert aberkannte: “Eigentlich müssten wir alle nicht hier drinnen sitzen, sondern im Stadion sein für die zweite Hälfte der Verlängerung. (…) Wir packen uns schon auch an die eigene Nase. Aber wir haben eine reguläres 2:2 gemacht. Die Entscheidung an sich ist fragwürdig mit dem Foul. Und noch viel schlimmer ist die Art und Weise der Kommunikation, wie das dann zurückgenommen wird Sekunden später. Das geht einfach nicht.”
Trotz des verdienten Weiterkommens mussten auch die Verantwortlichen von Hertha BSC einräumen, dass sie in der fraglichen Situation durchaus Glück gehabt haben. Fiél hatte zu diesem Zeitpunkt bereits fünfmal gewechselt und fast alle Offensiv-Leistungsträger – inklusive der beiden Torschützen – ausgewechselt. Ein Schachzug, der in der Verlängerung unschön hätte ausgehen können. Aber darüber spricht am Tag nach dem Einzug ins Achtelfinale niemand mehr.
Quellen: Kicker, Berliner Zeitung, Der Tagesspiegel, Berliner Morgenpost
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