Hertha in Schockstarre: Wie geht es nach dem Tod von Kay Bernstein weiter?

Nach dem Tod von Präsident Kay Bernstein befindet sich Hertha BSC noch immer in einer Schockstarre. Während Mitarbeiter, Fans und Mitglieder des Vereins die Trauer über den Verlust des populären Bernstein bewältigen müssen, stehen die Verantwortlichen des Klubs vor der schweren Aufgabe, die Handlungsfähigkeit des Vereins trotz des tragischen Verlusts zu gewährleisten. Wie soll es nun bei Hertha BSC weitergehen?

© Visualisierung: Hands of God
Text: Björn Leffler

 

Einen Tag nach dem noch immer unwirklich erscheinenden Tod von Vereinspräsident Kay Bernstein steht Zweitligist Hertha BSC noch immer unter Schock. Nicht nur der Verein, auch Fans und Mitglieder des Vereins trauern um ihren äußerst beliebten Präsidenten, der dem in den letzten Jahren so schwer ins Straucheln geratenen Hauptstadtverein neues Leben, eine neue Identität und ein neues Wir-Gefühl eingehaucht hatte.

Bereits am Dienstagnachmittag, bevor das Olympiastadion am Abend im Gedenken an Bernstein in Blau und Weiß erstrahlte, versammelten sich zahlreiche Anhänger des Vereins vor der Geschäftsstelle in der Hanns-Braun-Straße, um dem Präsidenten zu gedenken. Im Fanshop wurde ein Foto von Bernstein aufgestellt, unter dem Fans Blumen und Kerzen platzierten. Auch am Olympiastadion wurden Kerzen, Blumen und Schals abgelegt. Mehrere Spieler von Hertha BSC drückten ihre Betroffenheit und ihr Mitgefühl für die Familie Bernstein durch Beiträge in den sozialen Medien aus.

Kay Bernstein war im Sommer 2022 überraschend zum neuen Präsidenten gewählt worden

Den Verein Hertha BSC vollkommen neu zu justieren, war Bernstein mit seiner positiven, mitreißenden und charismatischen Art in nicht einmal zwei Jahren Amtszeit gelungen, denn erst im Sommer 2022 war der ehemalige Ultra und Vorsänger in der Ostkurve ins Präsidentenamt gekommen, im Rahmen einer denkwürdigen Mitgliederversammlung. Bernstein hatte sich damals etwas überraschend gegen den favorisierten Frank Steffel durchsetzen können.

Bernstein ist in den vergangenen eineinhalb Jahren längst über die Grenzen Berlins hinaus bekannt geworden, vor allem für sein großes Engagement, seine klare Haltung zur übermäßigen Kommerzialisierung des Fußballs und sein unbedingtes Einstehen für eine neue Demut und eine grundsätzliche Erdung des Vereins Hertha BSC, der seiner Ansicht nach in den Jahren während der toxischen Partnerschaft mit Investor Lars Windhorst völlig die Orientierung verloren hatte.

Herthas Anhänger folgten ihrem charismatischen Präsidenten

Dieser Ansicht folgte auch der Großteil der Mitglieder und Anhänger, so dass innerhalb kürzester Zeit – und trotz des schmerzhaften Abstiegs in die 2. Bundesliga im Mai 2023 – ein neuer und lange vermisster Zusammenhalt unter den Fans des Vereins eintrat, gepaart mit einer erstaunlichen Aufbruchstimmung. Auch dem neu zusammengestellten Führungsteam gelang es, ruhig und konstruktiv zu arbeiten und sich medial angenehm und aufgeräumt zu präsentieren. Auch das war und ist etwas, das für viele Herthanerinnen und Herthaner neu war und überaus positiv wahrgenommen wurde.

All dies – verbunden mit der sportlich und finanziell alternativlosen Konzentration auf die Talente der eigenen Jugend – hatte Bernstein unter dem Begriff “Berliner Weg” subsummiert, der schnell die Runde macht und selbst in den Boulevard-Medien mittlerweile das abgenutzte Etikett “Big City Club” abgelöst hat. Diesen “Berliner Weg”, das haben Verantwortliche und Spieler des Vereins gestern und heute immer wieder bekräftigt, will der Verein auch ohne Kay Bernstein konsequent weitergehen.

Wie soll es nach dem Tod von Kay Bernstein weitergehen?

Doch wie soll dies ganz konkret aussehen?  Der amtierende Vizepräsident Fabian Drescher wird vorübergehend die Amtsgeschäfte übernehmen. Der 41-jährige Jurist ist seit 2016 Mitglied des Präsidiums und wurde 2022 zum Vizepräsidenten ernannt. Er war ein enger Vertrauter von Kay Bernstein und unterstützte aktiv dessen Präsidentschaftskandidatur im Juni 2022. Inhaltlich schloss er sich in vielen Punkten Bernsteins Programm an. Während der Mitgliederversammlung Ende Juni 2022 sagte er dem Kicker: “Wir müssen diesen Verein einen und Ruhe reinbringen. Wir stellen uns jetzt alle hinter Hertha und sorgen dafür, dass wir eine große Familie werden. Mittelfristig geht’s darum, dass wir nur noch übers Sportliche reden und nicht mehr über uns.

Trotz Bernsteins Tod ist und bleibt Hertha BSC also handlungsfähig. Vor allem durch die im Oktober 2023 neu ins Präsidium gewählten Anne Noske, Ralf Thaeter und Saravanan Sundaram. Denn die Satzung schreibt vor, dass mindestens sieben und maximal neun Präsidiumsmitglieder tätig sein müssen. Nach dem Tod Bernsteins umfasst das aktuelle Präsidium nun sieben Mitglieder.

Vizepräsident Fabian Drescher wird die Amtsgeschäfte vorerst übernehmen

Ob der Verein im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung einen neuen Präsidenten wählen wird, ist derzeit noch offen. Theoretisch könnte Drescher das Amt interimsweise bis zum Herbst 2024 ausüben. Dann steht die nächste ordnungsgemäße Mitgliederversammlung an, bei der ohnehin die Neuwahl des Präsidiums vorgesehen ist. Ob Drescher den Posten überhaupt ausführen kann – schließlich handelt es sich dabei um einen ehrenamtlichen Posten, der nicht vergütet wird – muss aber erst noch abgewartet werden.

Am kommenden Sonntag empfängt Hertha BSC zum Auftakt in die Rückrunde der 2. Bundesliga das Team von Fortuna Düsseldorf. Im Stadion und vor allem in der Ostkurve, Kay Bernsteins einstiger Heimat als Vorsänger der Ultras, wird aller Voraussicht nach eine besondere Atmosphäre herrschen. Zudem werden die Anhänger ihren Präsidenten ehren wollen. Wie das geschehen soll, ist bislang aber noch nicht bekannt. Doch es wird wohl mehr zu erwarten sein als “nur” eine Schweigeminute vor dem Spiel.

Kann Hertha BSC die Trauer um Bernstein in positive Energie umwandeln?

In den kommenden Wochen und Monaten muss der Verein schließlich das äußerst schwierige Kunststück vollbringen, die Trauer um Bernstein abzuschütteln, um sich wieder auf die sportlichen und konstitutionellen Ziele des Vereins zu konzentrieren, ohne dabei die Philosophie und die Zielrichtung Bernsteins aus den Augen zu verlieren.

Eines steht bereits fest: der Tod Bernsteins wird Hertha BSC rein emotional wohl stärker verändern als alles andere, was dem eh schon gebeutelten Verein in den vergangenen Jahren zugestoßen ist. Wenn es gelingt, die aktuelle Trauer in positive Energie umzuwandeln, könnte Hertha BSC wieder zu dem Verein werden, den sich Kay Bernstein gewünscht hat. Eine leichte Aufgabe ist dies allerdings nicht.

 

Ist mit nur 43 Jahren überraschend verstorben: Kay Bernstein, ehemaliger Präsident von Hertha BSC. / © Foto: Hertha BSC / City Press

 

Die Visualisierung des Titelbildes wurde uns freundlicherweise von Hands of God zur Verfügung gestellt.

Quellen: Kicker, Berliner Morgenpost, Hertha BSC, Sport Bild, Der Tagesspiegel

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