Die Fußballwelt in Berlin erlebt einen Wandel: Union Berlin wächst sportlich wie auch in den Mitgliederzahlen, während Hertha BSC nach Konsolidierung sucht. Doch trotz sportlicher Rückschläge zeigt Hertha mit wachsendem Zusammenhalt neue Perspektiven – und gewinnt ebenfalls erstaunlich viele Mitglieder hinzu.
Text: Björn Leffler
© Fotos: IMAGO / Matthias Koch
Sportlich hat der 1. FC Union dem Stadtrivalen aus dem Berliner Westend vorläufig längst den Rang abgelaufen. Auch wenn im vergangenen Jahr der Abstieg nur knapp vermieden werden konnte, dürfen sich die „Eisernen“ mittlerweile als fest etabliertes – und gern gesehenes – Mitglied der 1. Bundesliga ansehen.
Hertha BSC hingegen ist derweil noch immer auf dem Weg der Konsolidierung und versucht, weitgehend geräuschlos das verlorene Vertrauen der vergangenen Jahre wiederzuerlangen. Mit der Wahl des bisherigen Interimspräsidenten Fabian Drescher, der den von Kay Bernstein eingeschlagenen „Berliner Weg“ konsequent weitergehen will, scheinen die Weichen dafür erst einmal gestellt.
Veränderte Gemengelage: Union als Berlins sportliche Nummer eins, Hertha auf dem Weg der Gesundung
Ob sich Hertha BSC auch sportlich von den Fehlern der Gegenbauer-Jahre wird erholen können, ist derzeit schwer abzuschätzen. Derzeit rangiert die Mannschaft auf dem elften Platz der 2. Bundesliga, hat aber rein punktemäßig Tuchfühlung zum oberen Tabellenviertel – und hofft auf die Rückkehr zahlreicher Verletzter, die dem Team zusätzliche Impulse geben sollen.
Vorerst jedoch bleibt die Gemengelage unverändert: Union Berlin spielt bislang eine mehr als solide Bundesligasaison und ist derzeit Berlins fußballerisches Aushängeschild, während Hertha kleinere Brötchen backen muss. Dieses Bild zeigt sich auch, wenn man auf die aktuellen Mitgliederzahlen beider Vereine schaut.
Aktuelle Mitgliederzahlen: Mehr als 68.000 Union-Mitglieder – neuer Vereinsrekord
Mittlerweile zählt der 1. FC Union mehr als 68.000 Vereinsmitglieder, eine erstaunliche Zahl. 2018, also kurz vor dem Aufstieg der Köpenicker in die 1. Bundesliga, lag die Zahl noch bei rund 20.000 Mitgliedern und hat sich seitdem mehr als verdreifacht. Der rasante Zuwachs an Mitgliedern ist durchaus nachvollziehbar. Einerseits ist der Verein durch die großen sportlichen Erfolge der vergangenen Jahre für viele Menschen attraktiv geworden.
Andererseits ist der Kampf um Tickets für ein Heimspiel in der Alten Försterei, die bislang nur Platz für rund 21.000 Menschen bietet, ein permanentes Ringen der Union-Anhänger. Da die verfügbaren Tickets, die pro Heimspiel auf dem „freien Markt“ verkauft werden, ausschließlich unter Union-Mitgliedern verlost werden, ist eine Mitgliedschaft im Verein quasi eine Grundvoraussetzung dafür, dass man als Union-Anhänger ein Spiel seiner Mannschaft live im Stadion erleben kann.
Seit 2022 konnte Hertha BSC rund 17.000 neue Mitglieder hinzugewinnen
Aber auch Hertha BSC konnte auf der letzten Mitgliederversammlung, erstaunlicherweise, einen enormen Mitgliederzuwachs vermelden. Fabian Drescher betonte in seiner Rede im City Cube: „Seit der Wahl 2022 und dem zugehörigen Kurswechsel ist unser Verein um ziemlich genau 17.000 Mitglieder gewachsen. Das ist einmalig in der Geschichte von Hertha BSC und unterstreicht die positiven Entwicklungen sowie den Zusammenhalt.“
So kann Hertha BSC mittlerweile die Zahl von exakt 58.147 Mitgliedern vorweisen – und das, obwohl die sportliche und finanzielle Entwicklung der vergangenen Jahre besorgniserregend waren. Doch der unter Kay Bernstein eingeschlagene Kurs hat ganz offenbar zu einem neuen Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Anhängern des so gebeutelten Vereins geführt.
Hertha BSC hat das deutlich größere Stadion und kann so viel mehr Fans zu den Heimspielen locken
Bei Hertha BSC ist es zudem keine Voraussetzung, Vereinsmitglied zu sein, um an ein Ticket zu kommen, denn das riesige Olympiastadion bietet (fast) immer ausreichend Plätze und lockt selbst in der 2. Bundesliga große Zuschauermengen an. Zuletzt waren mehr als 68.000 Zuschauer beim Duell gegen den 1. FC Köln zu Gast.
In Sachen Zuschauerzuspruch kann Hertha BSC immerhin noch deutlich den 1. FC Union übertrumpfen, mit einem Zuschauerschnitt von knapp 50.000 Zuschauern in der vergangenen Zweitligasaison. Doch auch hier will der 1. FC Union künftig zumindest Boden gut machen, mit dem geplanten Ausbau des Stadions an der Alten Försterei auf 40.500 Plätze.
Auch Hertha plant den Bau eines neuen Stadions, steht dabei aber – wie immer – vor der Herausforderung der Finanzierung. In finanzieller Hinsicht haben sich die früher traditionell klammen Köpenicker in den vergangenen zehn Jahren außerordentlich gut entwickelt – und sind für die Vereinsführung von Hertha BSC längst zum Vorbild geworden – auch wenn das im Westend niemand so laut aussprechen möchte.
Quellen: 1. FC Union Berlin, Hertha BSC, RBB, Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung, statista.com