Bei der Diskussion um einen möglichen Stadion-Neubau für Hertha BSC hieß es lange, dass die Olympiastadion Berlin GmbH auf ihren langjährigen Ankermieter kaum verzichten könne. Das Jahr 2023 jedoch hat gezeigt, dass das Stadion auch mit anderen Events hervorragend ausgelastet sein kann. 2024 steht zudem die Fußball-Europameisterschaft an, und auch die nordamerikanische NFL soll ab 2026 Spiele im Olympiastadion austragen. Geht es also auch ohne Hertha?
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Text: Björn Leffler
Ohne den Ankermieter Hertha BSC würde es die Olympiastadion Berlin GmbH schwer haben, das altehrwürdige Stadion im Berliner Westend rentabel zu betreiben. Dieses Argument war von Seiten des Berliner Senats in den vergangenen Jahren häufig zu hören, wenn es darum ging, sich zu einem möglichen Stadion-Neubau von Hertha BSC zu positionieren.
Hertha-Präsident Kay Bernstein hatte im Rahmen der letzten Mitgliederversammlung des finanziell angeschlagenen Vereins erneut betont, dass das Projekt eigenes Fußballstadion vom Charlottenburger Zweitligisten auch weiterhin verfolgt werde. Dabei hofft der Klub vermutlich auf finanzkräftige private Kooperationspartner.
Das Land Berlin wird sich nicht an einem Stadion-Neubau beteiligen
Denn das Land Berlin hat immer betont, dass es sich an einem möglichen Neubau finanziell nicht beteiligen wird, selbst bei einem von Hertha BSC favorisierten Bau innerhalb des Olympiaparks. Dies ist noch immer die Haltung der Landesregierung, die dem Projekt mittlerweile aber deutlich aufgeschlossener gegenübersteht.
Die von Innensenatorin Iris Spranger installierten Gremien wollten eigentlich bereits im Frühling dieses Jahres ihre Ergebnisse präsentieren, bislang war allerdings noch nichts zu vernehmen. In den derzeit laufenden Evaluierungen geht es vor allem darum, wie und in welcher Form ein Stadion-Neubau realisierbar wäre.
Hertha BSC könnte für ausgewählte Spiele ins Berliner Olympiastadion ziehen
Dabei wurde in der Vergangenheit immer wieder eine Art Wechselmodell ins Spiel gebracht, bei dem der Verein Hertha BSC drei oder mehr Spiele pro Saison – vor allem die Partien mit großem Zuschauerinteresse – im Olympiastadion austragen würde, um den potenziellen Verlust für die Olympiastadion Berlin GmbH abzufedern.
Denn das von Hertha BSC geplante Stadion hätte nach aktuellem Stand nur eine Kapazität von etwa 45.000 Plätzen. Das ist jedenfalls das, was der Berliner Senat dem Verein zugestehen würde, wenn der Bau auf dem aktuell favorisierten Grundstück an der Friedrich-Friesen-Allee, nördlich des Maifelds, realisiert werden könnte.
Stadion-Neubau: Betreibergesellschaft müsste sich neu aufstellen
Dass sich die Olympiastadion Berlin GmbH in solch einem Fall vollkommen neu aufstellen müsste, ist klar. Dass dies aber kein Ding der Unmöglichkeit ist, zeigt das Beispiel München. Auch dort verlor das dortige Olympiastadion in den 2000er Jahren mit dem FC Bayern München seinen Ankermieter.
Das Münchner Olympiastadion und der dazugehörige Olympiapark werden heute von der Stadt erfolgreich als Event-, Sport- und Konzertlocation genutzt. Zudem wird das Areal um weitere Sportstätten ergänzt. Derzeit ist dort die Mehrzweckhalle “SAP Garden” im Bau, die künftig Platz für 12.500 Zuschauer bieten wird.
2023: Sehr hohe Auslastung des Berliner Olympiastadions
Dass eine solche erfolgreiche Vermarktung des Olympiapark-Areals auch in Berlin möglich ist, hat vor allem das Jahr 2023 gezeigt, in dem die Olympiastadion Berlin GmbH zahlreiche Veranstaltungen ins Stadion holen konnte – und dabei von einigen Sondereffekten profitierte.
Allein die Tatsache, dass der 1. FC Union Berlin entschied, seine drei Heimspiele im Berliner Olympiastadion auszutragen, anstatt die Partien in der deutlich kleineren Alten Försterei zu spielen, dürfte für das landeseigene Unternehmen eine überaus positive Nachricht gewesen sein.
3 Champions-League-Spiele, 5 Konzerte und 2 Tage Lollapalooza-Festival
Denn die drei Heimspiele – inklusive dem noch anstehenden Spiel gegen Real Madrid – waren und sind allesamt ausverkauft. Aber auch in kultureller Hinsicht war viel los im Berliner Olympiastadion. Zweimal trat die mittlerweile kontrovers diskutierte Band Rammstein im Juli im Olympiastadion auf, genauso oft wie die Band-Formation Depeche Mode.
Auch US-Sängerin Pink machte im Rahmen ihrer Welttournee in Berlin Halt. Alle fünf Konzerte waren restlos ausverkauft. Aufgrund der hohen Auslastung mit Konzerten im Juli wich Superstar Bruce Springsteen während seiner Europa-Tour auf andere deutsche Veranstaltungsorte aus, obwohl auch sein Management einen Konzerttermin im Berliner Olympiastadion favorisiert hatte.
100.000 Zuschauer: Größtes deutsches Musikfestival 2023 im Olympiapark
Hinzu kam das mittlerweile schon traditionelle Lollapalooza Festival, welches an zwei Tagen im September rund 100.000 Gäste auf dem gesamten Gelände am und im Stadion sowie auf dem angrenzenden Maifeld begrüßen konnte. Damit war die Veranstaltung das größte Musikfestival Deutschlands in diesem Jahr.
Neben den gut besuchten Heimspielen von Hertha BSC – trotz des Abstiegs wurde mit über 53.000 Zuschauern im Schnitt ein neuer Vereinsrekord aufgestellt – gab es weitere sportliche Highlights im Olympiastadion. Das übliche, natürlich ausverkaufte DFB-Pokalfinale im Mai wurde durch ein zusätzliches Spiel der Nationalmannschaft im November ergänzt. Beide Spiele waren ausverkauft.
DFB-Pokalfinale, Länderspiel und Special Olympics World Games
Hinzu kam in diesem Jahr die Eröffnungsfeier der Special Olympics World Games, die von über 50.000 Zuschauern besucht wurde, und das traditionelle Leichtathletik-Fest „Istaf“, bei dem rund 34.000 Zuschauer anwesend waren. Die beliebte “Pyronale”, sonst auch ein fester Termin im Veranstaltungskalender, wird hingegen erst im nächsten Jahr wieder auf dem Maifeld stattfinden.
Ein ziemlich voller Terminkalender also, der durch Losglück im DFB-Pokal sogar um zwei weitere Termine ergänzt wurde. Da Hertha BSC gegen den FSV Mainz 05 (3:0) und nun im Achtelfinale gegen den Hamburger SV jeweils das Heimrecht zugesprochen bekam, finden zwei weitere Fußallereignisse im Olympiastadion statt. Beim anstehenden Duell mit dem HSV wird erneut mit einem ausverkauften Olympiastadion gerechnet.
2024 stehen 6 EM-Spiele im Olympiastadion an – inklusive Endspiel
Finanziell dürfte das Jahr 2023 also eines der erfolgreichsten der Stadion-Betreibergesellschaft gewesen sein, und die nächsten Highlights stehen bereits an. Im kommenden Jahr wird die Olympiastadion Berlin GmbH im Sommer auf die Durchführung von Konzerten komplett verzichten, da im Juni und Juli die Fußball-Europameisterschaft 2024 ansteht.
Allein im Berliner Olympiastadion werden sechs Partien ausgetragen, inklusive des prestigeträchtigen Endspiels. Schon während der kürzlich beendeten ersten Verkaufsphase für das Turnier meldete die UEFA rund 20 Millionen Ticketanfragen – für 1,2 Millionen Tickets. Es ist also davon auszugehen, dass alle sechs Spiele in Berlin ausverkauft sein werden.
In der Saison 2024/25 trägt Union alle Heimspiele im Olympiastadion aus
Und auch der Blick in die nähere Zukunft hält für die Olympiastadion Berlin GmbH erst einmal positive Nachrichten bereit. In der Saison 2024/25 wird der 1. FC Union sämtliche Bundesliga- und Pokalpartien im Berliner Olympiastadion austragen, da die Alte Försterei in diesem Zeitraum um- und ausgebaut wird.
Sollte sich das Bauprojekt in der Wuhlheide verzögern, wird Union seine Miete im Olympiastadion sogar noch verlängern müssen. Damit werden erstmals zeitgleich zwei Bundesliga-Teams im Olympiastadion spielen – nur ist derzeit nicht ganz klar, ob sie erst- oder zweitklassig spielen.
Die NFL möchte in Deutschland weiter expandieren – und hat Berlin im Blick
Unabhängig vom Fußball arbeitet Berlin bereits daran, ein weiteres Sport-Highlight in die deutsche Hauptstadt zu holen. Die US-amerikanische National Football League (NFL) hat gerade zwei reguläre Saison-Spiele in Frankfurt am Main ausgetragen – und plant auch in Zukunft Partien in Deutschland, wie der RBB berichtet.
“Wir stehen im Austausch mit der NFL über die mögliche Ausrichtung von NFL-Spielen in der Sportmetropole Berlin,” erklärte die Sprecherin Sabine Beikler gegenüber dem RBB. Eine konkrete Zeitplanung gebe es noch nicht, aber es bestehe die Möglichkeit, dass die Austragung der NFL-Spiele in Berlin ab 2026 erfolgen könnte. Bis dahin genießen München und Frankfurt das Recht, Spiele der US-amerikanischen Liga auszurichten.
Ab 2026 könnten NFL-Spiele im Berliner Olympiastadion stattfinden
Im letzten Jahr begann die Expansion der NFL nach Deutschland mit einem vierjährigen Deal, der besagt, dass es bis 2025 insgesamt vier NFL-Spiele in Deutschland geben wird – jeweils zwei in München und zwei in Frankfurt. Die Liga plant allerdings auch nach 2025 in Deutschland präsent zu bleiben, denn die Begeisterung war bisher enorm, allein für die beiden Spiele in Frankfurt in diesem Jahr gab es rund fünf Millionen Ticket-Anfragen.
Laut NFL ist Deutschland außerhalb der USA der stärkste Absatzmarkt. NFL-Commissioner Roger Goodell brachte kürzlich selbst die Stadt Berlin als Austragungsort ins Gespräch. Als die NFL vor knapp zwei Jahren ihren Schritt nach Deutschland ankündigte, war die Hauptstadt aber noch nicht im Rennen.
Bislang gab es Probleme mit dem Berliner Sportförderungsgesetz
Damals gab es Probleme mit dem Sportförderungsgesetz des Landes Berlin, das eine Bewerbung für die Ausrichtung von NFL-Spielen nicht zuließ. München, Frankfurt und Düsseldorf waren damals die Bewerber und die ersten beiden Städte erhielten den Zuschlag.
Die Sprecherin der Berliner Sportverwaltung bestätigte nun allerdings, dass die Voraussetzungen für die Ausrichtung von Spielen mittlerweile geändert wurden, so dass eine Umsetzung in Berlin möglich wäre. Eine Vergabe der Spiele ins Berliner Olympiastadion ist aufgrund der großen Bekanntheit und Beliebtheit Berlins in den USA durchaus wahrscheinlich. Die NFL wird noch in diesem Jahr ihre weiteren Expansionspläne bekannt geben.
Käme die Olympiastadion Berlin GmbH ohne Hertha BSC aus?
Für die Olympiastadion Berlin GmbH gibt es – abseits von Hertha BSC – auch in den kommenden Jahren also noch spannende, weitere Optionen, das Olympiastadion mit Veranstaltungen zu füllen, auch wenn das Thema Stadion-Neubau für Hertha BSC tatsächlich relevant werden sollte. Doch noch bleibt abzuwarten, ob und wie der Verein dieses Projekt umsetzen kann.
Doch sollte dies gelingen, wäre mit dem großen Olympiastadion und dem direkt benachbarten, kleineren Stadion auch eine Kooperation möglich. Denn die kleinere Sportstätte könnte weitere Events oder Konzerte nach Berlin locken, für die das Olympiastadion viel zu groß ist – wie beispielsweise das DFB-Pokalfinale der Frauen oder Konzerte von Künstlern mit einem geringeren Zuschauerpotenzial.
Hertha und ALBA auf der Suche: Zusätzliche Sportstätten im Olympiapark?
Ein zusätzliches Stadion im historischen Olympiapark sollte vielleicht, vor allem vor dem Hintergrund der möglichen Olympia-Bewerbung Deutschlands mit Berlin als Ankerstadt, viel mehr als Chance denn als Risiko gesehen werden.
Bei der zukünftigen Entwicklung des Olympiapark-Areals sollte – siehe das Beispiel München – auch berücksichtigt werden, dass derzeit nicht nur Hertha BSC, sondern auch Basketball-Bundesligist ALBA Berlin auf der Suche nach einer neuen Sportstätte ist, da der Verein perspektivisch aus der Mercedes-Benz-Arena am Ostbahnhof ausziehen muss. Hierfür ist jedoch nicht nur die nötige Finanzierung erforderlich, sondern auch der notwendige politische Wille.
Quellen: Olympiastadion Berlin GmbH, Hertha BSC, 1. FC Union Berlin, Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Kicker, Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, Stadionwelt, GOOLAZO BERLIN, Pro Sieben, UEFA, RBB