Oliver Ruhnert verlässt den 1. FC Union Berlin, um als Spitzenkandidat des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) in die Bundespolitik einzusteigen. Mit diesem Schritt endet eine Ära, die den Verein entscheidend prägte – zumindest vorerst.
Text: Martin Platt
© Titelbild: IMAGO / Matthias Koch
Was bereits seit Monaten im Raum stand, bestätigte der 1. FC Union Berlin am gestrigen Dienstag in einer offiziellen Pressemitteilung in dünnen Worten: “Der 1. FC Union Berlin und Chefscout Oliver Ruhnert haben sich auf ein Ruhen ihrer Zusammenarbeit ab Januar 2025 verständigt. Oliver Ruhnert hat das Präsidium des Klubs darüber informiert, dass er bei der kommenden Bundestagswahl als Spitzenkandidat auf der Berliner Landesliste seiner Partei kandidiert. Ab Januar wird er sich vollumfänglich den Wahlkampfaktivitäten für die voraussichtlich am 23. Februar 2025 stattfindende Bundestagswahl widmen.”
Damit beendet Ruhnert die Spekulationen um seine Zukunft beim 1. FC Union, jedenfalls vorerst. Ruhnert (53) wird bei der Bundestagswahl am 23. Februar als Spitzenkandidat des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) auf der Berliner Landesliste antreten. Ab Januar 2025 legt er daher seine Aufgaben beim Fußball-Bundesligisten Union Berlin vorübergehend nieder.
Oliver Ruhnert wird als Spitzenkandidat des BSW in Berlin antreten
Ob Ruhnert in seinen Posten als Chefscout noch einmal zurückkehren wird, hängt wohl vom Ausgang der Wahl ab. Sollte Ruhnert in den nächsten Bundestag gewählt werden, ist eine Rückkehr zum 1. FC Union – zumindest für die Dauer der nächsten Legislaturperiode – natürlich ausgeschlossen und wäre dann insgesamt sehr unwahrscheinlich. Bereits im Frühjahr war bekannt geworden, dass Ruhnert, zuvor Mitglied der Partei Die Linke, dem BSW beigetreten ist.
Gänzlich überraschend kommt Ruhnerts Schritt nicht. In einem Interview mit der Sport Bild hatte Ruhnert zu Beginn des Jahres einen möglichen Berufswechsel angedeutet: “Es ist ja kein Geheimnis, dass Sahra Wagenknecht und ich uns sehr gut kennen, dass ich sie schätze. Ich finde ihr Projekt interessant und spannend. Aber klar ist auch: Ich habe bei Union einen Vertrag. Von daher gibt es jetzt im Moment auch nichts zu sagen. Alles ist Zukunftsmusik.”
Ruhnert liebäugelte schon länger mit einem Wechsel in die Politik
Aber: “Ich schließe es nicht aus, einmal in die Bundespolitik zu gehen. Das finde ich hoch spannend. Aber mir ist schon bewusst, dass ich das mit meiner jetzigen Tätigkeit bei Union Berlin zeitlich nicht vereinbaren kann. Deswegen gibt es diese Option für mich nur nach dem Fußball. Doch klar ist auch: Wenn man in die Bundespolitik will, dann sollte man nicht noch fünf Jahre warten,” so Ruhnert damals gegenüber der Sport Bild weiter.
Diesen Ankündigungen lässt Ruhnert nun Tagen folgen, was durchaus auch mit seiner aktuellen Situation beim 1. FC Union zu tun haben könnte. Denn die Vereinsführung der “Eisernen” zog nach der vergangenen Saison mit dem Beinahe-Abstieg personelle Konsequenzen. So löste Horst Heldt ab Juli 2024 Oliver Ruhnert auf dem Posten des Geschäftsführers ab, Ruhnert kehrte auf die Positions des Chefscouts zurück, was viele Beobachter als Degradierung bewerteten.
Dennoch verlief die Zusammenarbeit von Ruhnert und Heldt seit Saisonbeginn zumindest öffentlich geräuschlos, doch die beruflichen Perspektiven waren für Ruhnert beim 1. FC Union sicherlich begrenzt. Nun wagt er also den Schritt in die Bundespolitik. Beim 1. FC Union endet damit, vorerst ganz leise, die Ära eines der wichtigsten Baumeister des heutigen Union Berlin, der viele Höhen und nur wenige Tiefen miterlebt hat. Das ist ganz sicher nicht die schlechteste Vorbereitung für seine nun anstehende politische Laufbahn.
Quellen: Berliner Zeitung, 1. FC Union Berlin, Sport Bild, Berliner Morgenpost