Ritt auf der Rasierklinge: Union steht einen Punkt über dem Relegationsplatz

Der 1. FC Union hat das Schlüsselspiel gegen den VfL Bochum mit 3:4 verloren und zeigte vor allem in der ersten Hälfte eine desolate Leistung. Hoffnung macht den Köpenickern der große Rückhalt der eigenen Anhänger – und die Ergebnisse der anderen Teams, die den “Eisernen” einen winzigen Vorsprung auf den Relegationsplatz bewahren. Für die Köpenicker werden die letzten Wochen der Saison zu einem Ritt auf der Rasierklinge.

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Text: Björn Leffler

 

Der Rahmen war würdig, die Stimmung begeisternd: Vor dem so wichtigen Spiel gegen den VfL Bochum war das Stadion an der Alten Försterei in Köpenick in die Farben weiß, rot und gelb getaucht. Ein beeindruckendes Fahnenmeer sollte den Spielern des 1. FC Union die nötige Motivation geben, mit einem Sieg einen großen Schritt in Richtung Klassenerhalt zu gehen.

Doch die nötige Mentalität zeigte vor allem in der ersten Hälfte nur der VfL Bochum, der von über zweitausend Fans aus dem Ruhrgebiet begleitet wurde. Beim Abschlusstraining der Bochumer waren tags zuvor rund 5.000 Fans anwesend, die den Bochumern den nötigen Rückhalt mit auf den Weg geben wollten. Und die Bochumer zeigten schließlich auch, wie man in ein solches Abstiegsduell gehen muss.

Der VfL Bochum führte zur Halbzeit bereits mit 3:0, Union agierte desolat

Nach dem 0:0 in Gladbach, dem fünften Spiel ohne Sieg in Serie, wechselte Unions angezählter Coach Nenad Bjelica zwei Spieler aus: Schäfer und Hollerbrach ersetzten Aaronson und Vertessen. Bochums Interimstrainer Heiko Butscher konnte nach dem 3:2-Sieg gegen Hoffenheim das Ende einer acht Spiele währenden Sieglosserie feiern, jedoch fehlte Kapitän Losilla nach seiner zehnten Gelben Karte.

Osterhage erhielt also eine Chance von Anfang an, der einzige Wechsel beim Revierklub. Bochum war in Hälfte eins in Ballbesitz (59 Prozent) und besonders in Luftzweikämpfen den Gastgebern klar überlegen und führte dann schnell sowie überaus verdient mit 2:0 durch Treffer von Wittek in der 16. und 31. Minute, beide nach gewonnenen zweiten Bällen. Bochum überzeugte, während die Berliner nach dem schwachen Abwehrverhalten und dem 0:3 durch Schlotterbeck (37.) fast in Schockstarre verfielen. Bjelica reagierte mit drei Wechseln und einer Systemumstellung.

Drei Wechsel zur Pause: Union startete begeisternde Aufholjagd

Nach der Pause spielten die Köpenicker im System 4-3-3 und waren offensiver, und ein wildes und phasenweise begeisterndes Spiel nahm seinen Lauf, welches die Alte Försterei endlich in einen Hexenkessel verwandelte. Vertessen (48.) und Bedia (62.) erzielten schnelle Tore für Union und ließen das fast schon entschiedene Spiel wieder spannend werden. Doch Bochums Passlack flankte in der 70. Minute viel zu unbedrängt auf den völlig freistehenden Hofmann, der zum 4:2 für Bochum traf. Hollerbach verkürzte kurz danach erneut auf 3:4 (74.). Die “Eisernen” warfen anschließend alles nach vorn, aber der VfL hielt stand und gewann das so eminent wichtige Spiel auf beeindruckende Art und Weise.

In Köpenick schielte am Abend also alles nach Heidenheim, wo der 1. FSV Mainz 05 mit einem Auswärtssieg auf Platz 15 hätte klettern können – und Union auf den Relegationsplatz verdrängt hätte. Die Führung für die Mainzer durch Burkardt in der 37. Minute ließ die Befürchtungen des Köpenicker Anhangs vorerst wahr werden, Union war kurz nach acht Uhr abends tatsächlich auf dem Relegationsplatz angelangt.

Heidenheims Ausgleichstreffer bewahrt Union vor dem Relegationsplatz – vorerst

Nur dem Ausgleichstreffer von Tim Kleindienst verdankt das Team von Nenad Bjelica, dass am Ende des 32. Spieltags noch Rang 15 steht, da die Mainzer nicht über das 1:1 in Heidenheim hinauskamen und schließlich auf dem 16. Tabellenplatz verbleiben müssen. Fraglich ist, ob der 1. FC Union bis zum Ende der Saison weiterhin so viel Glück haben wird, um letztlich “über dem Strich” zu bleiben.

Es ist ein Spiel mit dem Feuer, das die Verantwortlichen, das Trainerteam und die Mannschaft in Köpenick derzeit betreiben. Der Mannschaft gelingt es nicht mehr, den Schalter umzulegen und den Abstiegskampf über volle 90 Minuten anzunehmen. Der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt noch einen Punkt, die zwei ausstehenden Spiele gegen den 1. FC Köln und den SC Freiburg sind schwer zu prognostizieren.

Meldungen über die Trennung von Nena Bjelica kamen zur Unzeit

In den Medien kursierte vor dem Spiel gegen den VfL Bochum die Meldung, dass Union Berlin und Trainer Bjelica nach der Saison getrennte Wege gehen werden, und dass sogar eine kurzfristige Training vor dem Spiel gegen den VfL Bochum im Raum stand. Eine Informationslage zur Unzeit, die es in den Jahren zuvor bei Union so wohl nicht gegeben hätte.

Der Verein versucht derzeit händeringend, Stabilität und Geschlossenheit herzustellen und dies auch nach außen zu demonstrieren. Das gelingt allerdings ebenso wenig wie das Sammeln der so bitter benötigten Punkte in der Bundesliga. Für den 1. FC Union werden die letzten zwei Wochen der Saison zu einem Ritt auf der Rasierklinge – mit völlig ungewissem Ausgang.

 

Quellen: Kicker, Fußball-Woche, Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost

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