Das 1929 eröffnete Poststadion in Berlin-Moabit hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Einst wurden hier Fußballspiele vor über 50.000 Zuschauern ausgetragen. Nach dem Verfall des Areals in den 1970er und 1980er Jahren präsentiert sich der “Sportpark Poststadion” heute wieder als moderne und integrative Anlage.
© Fotos: GOOLAZO BERLIN, IMAGO
Text: Wolfgang Leffler
Bewegt man sich als Fußballnostalgiker entlang der Berliner Fußballroute, entdeckt man in der Mitte Berlins, unweit des Hauptbahnhofs gelegen, das in der Lehrter Straße 59 bereits am 28. und 29. Mai 1929 eingeweihte Areal des Poststadions.
Ursprünglich wurde das Stadion für den Post SV Berlin gebaut, im Auftrag der damaligen Reichsportverwaltung, gelegen auf dem ehemaligen Exerzierplatz der Garde-Ulanen.
Poststadion in Moabit: Eröffnung der Sportstätte im Mai 1929
Architekt Georg Demmler hatte mit seinen Plänen zwischen 1926 und 1929 eine Wettkampfstätte entworfen, die als Vorbild für ähnliche Sportparks in der Weimarer Republik in anderen deutschen Stätten diente.
Die Anlage wurde als großes Wettkampfstadion für 35.000 Zuschauer mit einem Tribünengebäude, zehn Tennisplätzen, einem Tennisstadion und vier Fußballplätzen konzipiert.
In den 20er und 30er Jahren fanden große Fußballspiele im Poststadion statt
Nur den wenigsten Berliner Fußballenthusiasten ist wohl bewusst, dass hier in den 1920er und 1930er Jahren viele Fußballspiele von überregionaler Bedeutung stattfanden.
So trugen im Jahr 1934 der FC Schalke 04 und der 1.FC Nürnberg vor immerhin 45.000 Zuschauern das Endspiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft aus – Schalke gewann mit 2:1. 1936, im Jahr der Olympischen Spiele in Berlin, wurde hier der 1.FC Nürnberg im Finale gegen Fortuna Düsseldorf Deutscher Meister.
Mehrfach fand das Finale der Deutschen Meisterschaft im Poststadion statt
Aber auch die Berliner Vereine trugen im Poststadion ihre Spiele um die Berliner Meisterschaft aus, so Hertha BSC, Union Oberschöneweide, der Berliner SV, Blau-Weiß 90 und die BSC Kickers 1900.
Das Poststadion löste somit nach seiner Einweihung das alte Grunewaldstadion als Austragungsstätte der Endspiele um die Berliner Fußballmeisterschaft ab, die von 1922 bis 1924 und nochmal 1927 dort ausgetragen worden waren.
Nach dem Bau des Olympiastadions verlor das Poststadion zunehmend an Bedeutung
Aber nach dem Bau des Olympiastadions im Berliner Westend für die Spiele 1936, an der Stelle des alten Grunewaldstadions, verlor auch das Poststadion seine tragende Rolle als wichtigste Berliner Sportstätte.
Das letzte Fußball-Länderspiel im Berliner Poststadion, vor Eröffnung des Olympiastadions, gewann Deutschland vor 12.000 Zuschauern gegen Luxemburg mit 9:0.
Eklat im Poststadion: Der Diktator verließ vor dem Abpfiff das Stadion
Aber während der Olympiade 1936 in Berlin erlangte das Poststadion noch einmal zweifelhafte Berühmtheit. Am 7. August 1936 fand in Moabit nämlich ein Spiel der Zwischenrunde des olympischen Fußballturniers zwischen den Teams von Deutschland und Norwegen statt.
Unter den 50.000 Zuschauern befand sich die komplette Führung des Dritten Reichs. Auch Adolf Hitler, eigentlich überhaupt kein Freund des Fußballsports, aber von seinen Beratern überredet, wollte Zeuge eines deutschen Sieges über die Norweger sein, die bis dato noch kein einziges Spiel gegen Deutschland hatten gewinnen können.
Niederlage vor den Augen des Führers: Deutschland – Norwegen 0:2
Allerdings kam es etwas anders als erwartet, denn die Deutschen verloren kläglich mit 0:2 und Adolf Hitler, völlig erbost über diese Schmach, verließ noch vor dem Abpfiff das Stadion.
Deutschland verabschiedete sich somit aus dem Turnier und Norwegen gewann immerhin die Bronzemedaille. Olympiasieger des olympischen Fußballturniers wurde übrigens Italien mit einer Studentenmannschaft.
Nach der Schmach im Poststadion schlug die Stunde von Sepp Herberger
Als Ergebnis dieser Niederlage – Deutschland hatte bei der Fußballweltmeisterschaft 1934 immerhin Platz drei erreicht – wurde Otto Nerz gleich nach dem Spiel als Reichstrainer abgesetzt. Als Nachfolger wurde übrigens ab sofort Sepp Herberger eingesetzt, allen bekannt als Trainer der Weltmeistermannschaft 1954 und als Spieler in Berlin jahrelang im Dress von Tennis Borussia aktiv.
Der Diktator soll danach wohl nie mehr bei einem Fußballspiel gesehen worden sein. Nachdem das Poststadion nach dem Bau des Olympiastadions seine Bedeutung als Endspielstätte für bedeutende Fußballspiele verloren hatte, fanden die Endspiele um die Deutsche Fußballmeisterschaft von 1937 bis 1944, sowie sechs Finals in den 1950er und 1960er Jahren, im Olympiastadion statt.
Wettkämpfe und Veranstaltungen außerhalb des Fußballs
Bereits vor der offiziellen Eröffnung der Sportanlagen fanden im Poststadion Wettkämpfe statt, so etwa im August 1927, wo die Meisterschaftswettkämpfe des Reichsheeres und der Marine im Beisein des damaligen Reichspräsidenten von Hindenburg stattfanden.
Darüber hinaus wurden Anfang Juni 1928 Windhundrennen in der Arena ausgetragen, und am 7. Juli 1935 fungierte das Poststadion als Boxarena, als Max Schmeling gegen Paulino Uzcudun kämpfte.
Leichtathletik-Stadion, Box-Arena und Kulisse für Maikundgebungen
Aber auch für andere Ereignisse wurde das Poststadion vor Beginn des Zweiten Weltkriegs genutzt, denn in der Nazizeit diente es als Kulisse für eine Maikundgebung der Hitlerjugend am 1. Mai 1936, bei der Adolf Hitler eine Rede hielt.
Große Teile des Stadions wurden während des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt, wurden aber bereits im Verlauf des Jahres 1945 wieder hergerichtet, so dass der Fußball-Spielbetreib im Sommer desselben Jahres beginnen konnte. Auch das Freibad konnte Mitte August 1945 wiedereröffnet werden.
Wiederaufbau und Neubeginn nach 1945
Politische Kundgebungen gehörten in Berlin nach dem Ende des Krieges genau so dazu wie Sportveranstaltungen, und so fand am 20. Juni 1946 die erste öffentliche Kundgebung der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg statt, als Redner trat Kurt Schumacher auf.
In den 1950er Jahren war das Poststadion die Heimspielstätte des neu gegründeten Vereins SC Union 06, denn ein Großteil der Mannschaft der SG Union Oberschöneweide hatte die Flucht ergriffen und Ost-Berlin verlassen.
Das Poststadion als Heimspielstätte von Union und Hertha
Und so spielte der SC Union 06 in der obersten West-Berliner Spielklasse, der Vertragsliga, wurde im Jahr 1953 sogar Berliner Meister und trat im Poststadion oft vor ausverkauftem Haus an.
Als Hertha BSC in den 1980er Jahren in die drittklassige Oberliga abstieg, trug der Verein seine Spiele im Poststadion aus. Auch für einige Zweitligaspiele der Saison 1988/89 wich Hertha aufgrund des geringen Zuschauerzuspruchs ins Moabiter Poststadion aus. Auch Tennis Borussia und Wacker 04 trugen im Poststadion zeitweise ihre Heimspiele aus.
Verfall des Stadions und Wiederaufbau
Ab den 1970er Jahren verfiel die Gesamtanlage sukzessive und große Teile der Anlage waren nicht mehr nutzbar. Wenn man als Beobachter der Berliner Sportanlagen den Weg zum Poststadion einschlug, war man hinsichtlich des sich darbietenden Zustandes mehr als erschrocken.
Sicher war die akzeptierte Verwahrlosung des Areals auch ein Ausdruck der damaligen leeren Berliner Senatskassen. Was sich dem Betrachter hinter dem windschief hängenden Schild „Poststadion“ präsentierte, war mehr als ernüchternd: Gerümpel, Müll, Sandhaufen, Schuttberge, lose Steinplatten und eine Tribüne, die den Namen nicht mehr verdiente, angesichts der darauf wachsenden Bäume.
Das Poststadion war zur größten Stadionruine Berlins verkommen
Und die Entwicklung vom einst modernsten Stadion der Reichshauptstadt zur größten Stadionruine der Stadt schmerzte immens. Immerhin fanden hier im Tiergarten vor dem Zweiten Weltkrieg Fußballspiele vor mehr als 55.000 Zuschauern statt.
Die schweren Beschädigungen im Krieg wurden mit dem Wiederaufbau ab 1945 schnell angegangen und die maximale Zuschauerkapazität sogar auf 60.000 Zuschauer erhöht, was heute geradezu absurd klingt.
Als Wacker 04 das Stadion in den 1970ern verließ, begann der Verfall
Der Verfall des Areals begann, als der damalige Fußball-Zweitligist Wacker 04 das Poststadion in den 1970er Jahren verließ, so dass das bauliche Unheil seinen Lauf nahm. Der Berliner Senat setzte anschließend mehrfach an, um dem Poststadion neues Leben einzuhauchen.
Zuerst hatte man im Jahr 1978 rund 31 Millionen D-Mark zur Rekonstruktion der Arena bewilligt, doch da das Landesdenkmalamt auf dem Denkmalschutz beharrte und weitere 1.650 zusätzliche Parkplätze forderte, platzte das Vorhaben und die Baupläne verschwanden in den Beamtenschubläden.
1991: Für 78 Mio. Mark sollte ein reines Fußballstadion entstehen
Bis 1991 tat sich nichts, dann gab es neue Pläne. Für 78 Millionen D-Mark wollte der Berliner Senat nun ein reines Fußballstadion errichten – doch auch daraus wurde nichts, so dass im Ergebnis des zunehmenden Verfalls der Anlage der DFB das Poststadion für Zweitliga-Spiele sperrte.
Nicht unbegründet übrigens hinsichtlich der baupolizeilichen Sperrung des Tribünengebäudes, dem wuchernden Unkraut auf den Rängen und den maroden und beschädigten Holzbänken. Hin und wieder fanden noch Fußballspiele im Amateur- oder Freizeitbereich statt, so etwa vom FV Tiergarten oder dem BSV Mitte.
Das Poststadion als Baudenkmal: Sanierung ab 2003
Die Hoffnung, dass in diese altehrwürdige Arena nochmal alter Glanz zurückkehren würde, war zum damaligen Zeitpunkt fast illusionär. Und die damals zuständige Bezirksverwaltung ließ auch dahingehend keine Zweifel aufkommen. So wurde offen die Frage gestellt, wer in Berlin eine weitere Sportstätte für 40.000 Zuschauer bräuchte.
Bereits ab dem 30. April 1990 wurde das Poststadion allerdings als Baudenkmal deklariert und steht seitdem unter Denkmalschutz. Bereits im Vorfeld wurde das in moderner Bauweise ausgeführte und im August 1945 wiedereröffnete Hallenbad 1984 geschlossen und 1990 zu einer Turnhalle umgebaut.
Sanierung: Neue Tartanbahn, Renovierung der Haupttribüne
Die ersten ernsthaften Sanierungsarbeiten begannen jedoch erst Ende 2003, wo zuerst im Stadion eine neue Tartanlaufbahn verlegt wurde. Inzwischen ist auch das Tribünengebäude mit der Haupttribüne denkmalgerecht saniert worden. Auf der Gegengerade wurden 2.200 Sitzschalen installiert, so dass das Hauptstadion mittlerweile über eine Gesamtkapazität von 10.000 Plätzen verfügt.
Bereits im Jahr 2002 wurde schließlich das Freibad stillgelegt, an dessen Stelle sich von 2003 bis 2012 der Campingplatz „Tentstadion“ befand. Im Juli 2014 eröffnete auf der Fläche das Vabali, heute eine beliebte Berliner Wellnessanlage.
Corona-Pandemie: Das Poststadion wurde zum Testzentrum
Während der Corona-Pandemie, also im Zeitraum 2021 und 2022, dienten die Räumlichkeiten des Tribünengebäudes als Testzentrum ‚Berliner Zentrale für kostenlose Corona-Schnelltests‘.
Erfreulich festzustellen bleibt heute, dass die langjährige Sanierung seinen Erfolg gezeitigt hat, denn bei jetziger Betrachtung des Areals muss man anerkennen, dass der Stadtbezirk Mitte über eine der größten und vielfältigsten Sportanlagen Berlins verfügt.
Das Areal am Poststadion gehört zu den größten Sportanlagen Berlins
Ein Großteil der gesamten Anlage wurde sukzessive modernisiert und instand gesetzt. Neben dem Hauptstadion mit Naturrasen und Flutlichtanlage gehören fünf Großfelder mit Kunstrasen, ein Kleinfeld mit Kunstrasen, zwei Leichtathletikanlagen, eine Sport- und Ruderhalle sowie eine Rollsportanlage zum Areal.
Zusätzlich gibt es Kletteranlagen und mehrere Fitnessbereiche und Parkour-Anlagen im Umfeld des Geländes. So wird auch dem Berliner Breitensport eine “große Bühne” bereitet. Der heutige “Sportpark Poststadion” ist somit ein wichtiger und integraler Bestandteil für die Anwohnerinnen und Anwohner in den umliegenden Quartieren.
Zu erwähnen bleibt noch, dass das Poststadion mittlerweile die Heimspielstätte für den Noch-Regionalligisten Berliner AK und die Mannschaft der Berlin Adler (American Football) ist. Während der Fußball-EM 2024 wird es als eine von mehreren Berliner Trainingsstätten für die gastierenden Nationalmannschaften dienen.
Quellen: Wikipedia, Süddeutsche Zeitung, GOOLAZO BERLIN, IMAGO, Fußball-Woche, Der Tagesspiegel
Das Post-Stadion wurde mit der Partie Hertha BSC vs. Post SV Berlin (P.S.B.) am 25.12.1926 eröffnet,
Serik Tampion