Im Konflikt zwischen Fans und DFL ist die Stimmung längst gekippt. Selbst Vereine, die ursprünglich für einen Investoren-Einstieg votiert haben, fordern mittlerweile eine Wiederholung der Abstimmung – und eine transparente Darstellung des Abstimmungsverhaltens. Die DFL-Führung ist nun massiv unter Druck geraten, der geplante Investoren-Deal scheint kaum noch realisierbar zu sein.
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Text: Björn Leffler
Nachdem in den Stadien der 1. und 2. Bundesliga zunächst Schokoladen-Goldtaler flogen, wurden daraufhin Fußbälle und Tennisbälle auf den Rasen geschleudert. Im Hamburger Volksparkstadion mussten Torpfosten mit einem Trennschleifer von Metallschlössern befreit werden, und sogar Rennautos und ein Gartenstuhl landeten auf dem Spielfeld.
Die Spirale der Fanproteste gegen die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und ihre Pläne, einen Investor für rund eine Milliarde Euro ins Boot zu holen, scheint noch lange nicht am Ende zu sein. Tatsächlich erscheinen die Lager im professionellen Fußball so gespalten wie nie zuvor, wobei die Fans ernst genommen werden wollen und den Ausverkauf ihres Sports befürchten.
Alexander Zorniger: “Die DFL muss jetzt ganz klar Stellung dazu beziehen.”
Auch während der Spiele von Hertha BSC und des 1. FC Union gab es am vergangenen Bundesliga-Wochenende wieder Proteste gegen das Vorgehen der DFL. Diese wird mittlerweile von vielen Trainern und Spielern dafür kritisiert, das Thema offenkundig aussitzen zu wollen, wie es etwa Fürths Trainer Alexander Zorniger gegenüber dem Kicker formulierte: “Die DFL muss jetzt ganz klar Stellung dazu beziehen, nicht nur den Arsch ruhig halten.” Leidtragende sind aus seiner Sicht derzeit vor allem die Sportler, die durch die Aktionen aus ihrem Rhythmus gebracht werden.
Die Fans lehnten das Angebot für ein längst überfälliges Gespräch seitens der DFL ab, da ihnen die Einladung zu fadenscheinig erschien. Es wurde bemängelt, dass kein Wort zur 50+1-Regel noch zu einer neuen Abstimmung enthalten war. Zusätzlich zu den Anhängern fordern auch immer mehr Vereine genau das: eine neue Abstimmung.
Beide Berliner Vereine hatten gegen einen Investoren-Einstieg gestimmt
Viele Stimmen fordern zudem, dass die Abstimmung nicht geheim, sondern offen stattfinden sollte. Im Zuge der letzten Abstimmung über einen Investoren-Einstieg hatten beide Berliner Bundesligisten gegen einen Investoren-Einstieg gestimmt. Die DFL-Spitze, einschließlich Präsidiums-Sprechers Hans-Joachim Watzke, hatte sich bereits im Mai für einen Investoren-Einstieg stark gemacht. Ihr Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der Liga im internationalen Vergleich zu sichern und die Geschäftsentwicklung voranzutreiben.
Mittlerweile scheint Watzke jedoch nicht mehr felsenfest vom Investoren-Einstieg überzeugt zu sein. Gegenüber dem NDR sagte er: “Wir als Präsidium haben ein bindendes Abschluss-Mandat erteilt bekommen. Aber wenn wir das Gefühl haben, dass die Mehrheit das im März nicht mehr will, werden wir unser Votum sicher nicht gegen deren Willen geben.”
Der 1. FC Köln will eine Wiederholung der Abstimmung beantragen
Mittlerweile hat der 1. FC Köln angekündigt, bei der DFL einen Antrag auf Wiederholung der Abstimmung einzureichen. Gegenüber dem Magazin Geissblog erläuterte Sport-Geschäftsführer Christian Keller das Vorgehen des Vereins: “In erster Linie geht es uns darum, für Rechtssicherheit und für Akzeptanz zu sorgen. Bekanntermaßen bestehen Verdachtsmomente, dass die Abstimmung auf der DFL-Mitgliederversammlung aufgrund des Stimmverhaltens von Hannover 96 nicht rechtswirksam gewesen ist und damit einhergehend ein Verstoß gegen die 50+1-Regel vorliegt.”
Darüber hinaus geht es dem Verein laut Keller aber um noch mehr: “Hinzu kommt, dass eine potentielle Zusammenarbeit der Bundesligen mit einem Private-Equity-Unternehmen eine große kulturelle Herausforderung bildet und nicht wirklich passfähig zum Wesenskern des deutschen Profifußballs als öffentliches Kulturgut ist. Fans, Mitgliedern, Medien und alle anderen Anspruchsgruppen muss deshalb klar und verständlich kommuniziert werden, warum der Deal aus Sicht einer Mehrheit der Clubs erforderlich ist.”
Christian Keller: “Mitglieder und Fans bilden das Herz des deutschen Profifußballs.”
“Mitglieder und Fans bilden das Herz des deutschen Profifußballs. Ohne die breite gesellschaftliche Verankerung des Fußballs wäre der erreichte Kommerzialisierungsgrad niemals möglich gewesen. Das müsste eigentlich auch jedem Bundesliga-Funktionär bewusst sein. Wir reden beim angestrebten Private Equity-Deal von einer der relevantesten Entscheidungen seit Einführung der Bundesliga,” so Keller weiter.
Auch Claus Vogt, Präsident des VfB Stuttgart, hat sich mittlerweile klar zu der Forderung für eine neue Abstimmung bekannt. Vogt schlägt vor, dass ein erneutes Gespräch in der DFL zu diesem Thema stattfinden sollte, da nicht sichergestellt werden kann, dass bei der Wahl ein ausreichend transparentes Ergebnis erzielt wurde.
Auch der VfB Stuttgart macht sich für eine erneute Abstimmung stark
Ihm sei es laut einem Bericht des SWR wichtig, ein Signal zu setzen und Brücken zwischen den Fans und den Verantwortlichen der Vereine zu bauen, um etwas Ruhe in die Diskussion zu bringen. Er betont, dass er sich vor seiner Stellungnahme nicht mit anderen Vereinen abgestimmt habe. Vogt kann die Proteste der Fans auf jeden Fall nachvollziehen und befürchtet, dass die Situation eskalieren wird und Spiele abgebrochen werden müssen, wenn seitens der DFL nichts unternommen wird.
Auch Hansa Rostock und der Karlsruher SC fordern ein erneutes Voting. Wie der VfB Stuttgart hatten die beiden Vereine eigenen Angaben zufolge ursprünglich für den Investoren-Einstieg gestimmt. Auch Union und Hertha, die schon bei der ersten Abstimmung gegen den Investoren-Deal gestimmt haben, machen sich für eine Wiederholung der Wahl stark. Ähnlich äußerten sich Borussia Mönchengladbach und der FC St. Pauli dazu.
Die DFL ist am Zug – und enorm unter Druck geraten
Die DFL ist nun am Zug und mittlerweile enorm unter Druck geraten. Es ist derzeit fast undenkbar, dass eine neuerliche Abstimmung oder zumindest ein offener Dialog über einen Investoren-Einstieg vermieden werden kann. Die Proteste der Fans auch weiterhin zu ignorieren, sollte jedenfalls nicht die Strategie der DFL-Führung sein, denn das Image der Liga dürfte vor allem international schon jetzt stark gelitten haben.
Auch der Rückzug des Unternehmens Blackstone – einer der beiden Investoren-Kandidaten – hat die strategische Position der DFL im Ringen um die gewünschten Investoren-Gelder deutlich verschlechtert. Damit ist das luxemburgische Unternehmen CVC der letzte verbliebene Kandidat für die strategische Partnerschaft mit der DFL. Doch die muss überhaupt erst einmal einen Weg finden, für diese Partnerschaft eine solide Mehrheit zu finden. Es sieht derzeit nicht so aus, als würde ihr das noch gelingen.
Quellen: DFL, NDR, Geissblog, Der Tagesspiegel, Sport Bild, Hertha BSC, 1. FC Union Berlin, BILD, X (Twitter), Kicker, TAZ