Wo sich heute die riesige Zentrale des Bundesnachrichtendienstes befindet, stand bis kurz nach der Wende das 1950 errichtete Stadion der Weltjugend. Im Zuge der Olympiabewerbung Berlins für die Spiele 2000 wurde das Stadion abgerissen, um an seiner Stelle eine große Olympiahalle zu errichten. Doch diese Halle wurde nie gebaut. Wir schauen zurück auf die wechselhafte Geschichte einer bedeutenden DDR-Sportstätte.
© Foto Titelbild: Wikimedia Commons (Bundesarchiv Bild 183-11500-1062, Berlin, III. Weltfestspiele, Eröffnungsfeier)
Text: Wolfgang Leffler
Der Berliner Senat hat ernsthaftes Interesse für die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2036 oder 2040 in Berlin bekundet und dazu ein „Memorandum of Understanding“ unterzeichnet, eine offizielle Absichtserklärung also.
In dem Zusammenhang kam dann auch eine Diskussion über die gegenwärtig verfügbaren Sportstätten und deren technischen und kapazitiven Zustand in Gang.
Berliner Olympiabewerbung: Bedarf an zusätzlichen Sporthallen
Bei den Sporthallen scheint es den größten Bedarf zu geben, denn außer der Mercedes-Benz-Arena, die zudem noch von einem Investor betrieben wird, gibt es keine für Olympia taugliche Sporthalle in Berlin, so dass die Hallensportarten Volleyball, Basketball und Handball womöglich an anderen Orten ausgetragen werden müssten.
Die im Prenzlauer Berg angesiedelte Max-Schmeling-Halle ist aufgrund der geringen Zuschauerkapazität und der nicht optimalen Logistikanbindung angeblich nicht geeignet für Olympische Spiele, wie es heißt. Also muss man über (temporäre) Neubauten nachdenken, die zwar teuer, aber unvermeidlich für eine wirklich erfolgreiche Olympiabewerbung wären.
Berlin hatte bereits für Olympia 2000 eine große Sportarena in Mitte geplant
Dabei hatte die deutsche Hauptstadt bereits eine Arena für diese Hallensportarten geplant, anlässlich der Bewerbung für die Austragung der Olympischen Spiele 2000 in Berlin. Allerdings erhielt dann Sydney den Zuschlag des IOC, so dass die Planungsunterlagen wieder in der Schublade verschwanden und die ‚Olympiahalle‘ mit einer Kapazität von 15.000 Zuschauern nicht gebaut wurde.
Der damalige Standort für die ‚neue Olympiahalle‘ befand sich genau dort, wo sich heute die raumgreifende, kantige Zentrale des Bundesnachrichtendienstes befindet.
Nach geplatzter Olympiabewerbung lag Areal an der Chausseestraße brach
Nach der geplatzten 2000er Olympiabewerbung lag das Areal zwischen Chausseestraße und Panke brach, nachdem das zuvor auf dem Areal stehende Stadion der Weltjugend abgerissen worden war – für insgesamt 28 Millionen Euro.
In den kommenden Jahren wurde das Gelände für die verschiedensten Zwecke genutzt, wie etwa Golf, Beachvolleyball oder Mountainbike. Im Oktober 2006 begann schließlich der aufwendige Bau der BND-Zentrale.
Stadion der Weltjugend: Sportstätte am westlichen Rand Ost-Berlins
Das Stadion der Weltjugend war eine Sportstätte im westlichen Teil des Stadtbezirks Mitte von Ost-Berlin, der heute zusammen mit den ehemaligen Bezirken Tiergarten, Moabit und Wedding seit 2001 den neuen Verwaltungsbezirk Mitte bildet.
Bevor das Areal überhaupt für Sportveranstaltungen genutzt wurde, erfüllte es vornehmlich militärische Zwecke und war ab 1820 als Exerzierplatz angelegt worden, bevor dann Mitte des 19.Jahrhunderts die ‚Maikäferkaserne‘ gebaut wurde.
Areal wurde ursprünglich vor allem für militärische Zwecke genutzt
Nach Ende des Ersten Weltkriegs übernahm die Preußische Schutzpolizei das Kasernengelände und ließ dann auf diesem Areal das Polizeistadion bauen, was allerdings während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurde.
Die nach den Bombardierungen verbliebene Ruine wurde nach Kriegsende abgetragen und nach der vollständigen Beseitigung der Trümmer im Jahr 1950 – anlässlich des ersten Deutschlandtreffens der Jugend – ein neues Stadion errichtet.
Walter-Ulbricht-Stadion: Errichtet aus den Trümmern des Polizeistadions
Das neue Stadion, ursprünglich für 70.000 Zuschauer konzipiert, wurde nach nur 120 Tagen Bauzeit am 20. Mai 1950 durch den damaligen Generalsekretär des ZK der SED, Walter Ulbricht, eröffnet – und trug passenderweise auch gleich dessen Namen.
Der Berliner Volksmund, bekannt durch seinen herben Charme, verlieh dem Stadion kurze Zeit später den Namen „Zickenwiese“, in Anspielung auf den von Ulbricht getragenen Bart.
17. Juni 1953: Besetzung des Stadions während des Volksaufstands
Ein Jahr später wurde die Arena für die III. Weltfestspiele der Jugend umgestaltet und bereits zwei Jahre danach wurde das Stadion zum Symbol des Volksaufstands vom 17.Juni 1953, indem es von tausenden von Demonstranten besetzt wurde.
Man kann also durchaus die über den sportlichen Aspekt hinausgehende politische Bedeutung des Stadions als ein Symbol der städtebaulichen Teilung der Stadt erkennen, aber auch der innerdeutschen Systemkonkurrenz mit dem sozialistischen Aufbauwillen. Der Historiker Ulrich Pfeil lieferte dazu die entsprechenden Argumente.
Sommer 1973: Umbau des Stadions für die X. Weltfestspiele der Jugend
In diesem Zusammenhang darf auch nicht vergessen werden, dass dieser sportliche Konkurrenzgedanke mit dem Bau einer neuen 70.000 Zuschauer fassenden Arena als Gegenpol zum Olympiastadion in West-Berlin gesehen werden kann.
Für die X. Weltfestspiele der Jugend im Sommer 1973 wurde das Stadion erneut umgebaut und bot anschließend nur noch gut 52.000 Plätze, davon 20.000 Sitzplätze. Der neue Namen des Stadions lautete nun ‚Stadion der Weltjugend‘.
Aus Walter-Ulbricht-Stadion wurde das Stadion der Weltjugend
Kurios bei der Namensänderung war, dass die damit einhergehende Namensänderung der benachbarten U-Bahn-Station nur für die West-Berliner Bevölkerung sichtbar war, da es sich um einen der zahlreichen mit dem Mauerbau entstandenen “Geisterbahnhöfe” handelte, die zwar von der West-Berliner U-Bahn (Linie 6) durchfahren, jedoch nicht als Halt genutzt werden konnte.
Heute kennen wir den U-Bahnhof der Linie 6 als U-Bahnhof ‚Schwartzkopffstraße‘. Das frühere Gelände des Polizeistadions grenzte im Osten an die Chausseestraße, im Süden an die Habersaathstraße (bis 1951 Kesselstraße) sowie im Norden und Westen an Wohngebiete entlang der Scharnhorst- bzw. Boyenstraße.
Ein Stadion für Sport und politische Großveranstaltungen
Neben dem Hauptstadion befanden sich auf dem Gelände weitere Fußballfelder, neun Tennis- und zwei Wurfplätze, dazu eine Schwerathletik-Anlage sowie ein Funktionsbau mit Sanitär-, Verwaltungs-– und Gaststättenräumen.
In der Hauptarena – ohne Dach übrigens – fanden neben sportlichen Großveranstaltungen wie Leichtathletik-Wettkämpfen und Fußballspielen auch politische Großveranstaltungen statt, siehe weiter oben die bereits erwähnten Weltfestspiele der Jugend.
Von 1952 bis 1964: Etappenziel und Startpunkt der Internationalen Friedensfahrt
Von 1952 bis 1964 war die Arena Etappenziel und Startpunkt der Internationalen Friedensfahrt. Zudem war das Stadion Endspielstätte des DDR-Fußballpokalwettbewerbs ‚FDGB‘-Pokal, und zwar im Jahr 1950 und durchgehend von 1975 bis 1989.
Für den SC Dynamo Berlin, dem Vorgänger des 1966 gegründeten BFC Dynamo, war die Arena zwischen 1954 und 1961 Heimspielstätte in der DDR-Oberliga.
Die DDR-Nationalelf trug 13 Länderspiele im Stadion der Weltjugend aus
Die Fußball-Nationalmannschaft der DDR trug in diesem Stadion insgesamt 13 Länderspiele aus, darunter vor gut 52.000 Zuschauern am 29. März 1969 das legendäre Qualifikationsspiel zur Fußball- Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko, das für die Italiener glücklich 2:2 endete. Die Italiener qualifizierten sich letztendlich für die Weltmeisterschaft und wurden Vizeweltmeister nach einem mit 1:4 gegen Brasilien verlorenen Finale.
Die heute auf dem Gelände des ehemaligen Stadions der Weltjugend angesiedelte Zentrale des Bundesnachrichtendienstes BND, die zwischen 2006 und 2019 auf diesem Areal errichtet wurde, lässt in keinster Weise erahnen, auf welch historischem Untergrund sie steht.
Zwischen 2006 und 2019 entstand die gigantische BND-Zentrale
Von einigen als “Koloss von Berlin” bezeichnet, erscheint der BND-Neubau vielen Berlinerinnen und Berlinern als abgeschirmte Festung, die den beliebten Stadtteil regelrecht durchschneidet. Das autarke Gebäude mit eigenem Logistikzentrum, Energiezentrale und Parkhaus wurde 2019 nach einer Bauzeit von 13 Jahren offiziell eingeweiht.
Der Umzug des BND nach Berlin wurde bereits 2004 unter den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder beschlossen – mit dem Ziel, durch die kurzen Wege die Kommunikation zwischen BND und Bundesregierung zu vereinfachen.
Fakt ist: Der fast eine Milliarde Euro teure BND-Neubau ist eines der teuersten Projekte aller Bundesregierungen. Grund für die hohen Kosten scheinen unter anderem die nachträgliche Erweiterung des Projekts um eine eigene Schule, ein Internat und mehr Schulungsräume, sowie diverse Baupannen gewesen zu sein.
Quellen: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN, Wikipedia, Deutsches Architektur Forum, Stadionwelt, tipBerlin, ostraum.com