Gewachsen auf Beton? Kevin-Prince Boateng verabschiedet sich vom Profifußball

Kevin-Prince Boateng hat nach 18 Jahren seine aktive Fußballerkarriere beendet. Im Berliner Stadtbild wird er dennoch weiterhin präsent sein, denn gemeinsam mit seinen Brüdern Jérôme und George prangt er von einer Hauswand seines Heimatstadtteils Wedding. Dass der Werdegang der beiden prominenten Brüder Jérôme und Kevin-Prince allerdings sehr unterschiedlich verlief, wurde erst durch die Veröffentlichung des Buchs “Die Brüder Boateng – Drei deutsche Karrieren” von Michael Horeni bekannt.

© Foto Titelbild: Wikimedia Commons
Text: Björn Leffler

 

Wenn man im Berliner Stadtteil Wedding von der Osloer Straße kommend mit dem Auto oder Fahrrad die Badstraße in Richtung Innenstadt fährt, kommt man gar nicht daran vorbei. An der Kreuzung Badstraße / Pankstraße prangen ihre drei Gesichter überlebensgroß auf einer Häuserwand. Es sind die Gesichter der Brüder Boateng, die im (fußballerischen) Wedding bis heute omnipräsent zu sein scheinen.

Und die Story scheint auch großartig zu passen: die drei Boateng-Brüder, natürlich mit Migrationshintergrund, haben sich von ganz unten – aus dem Wedding eben – nach ganz oben gespielt, in den Profifußball. Zumindest zwei der drei Brüder, nämlich Kevin-Prince und Jérôme. Der dritte im Bunde, George, war – so sagt man – eigentlich der talentierteste von ihnen, wusste mit seinem Talent aber nicht allzu viel anzufangen und landete statt in der Profimannschaft von Hertha BSC zwischenzeitlich im Moabiter Gefängnis.

Zwei der drei Boateng-Brüder schafften den Sprung in den Profifußball

Kevin-Prince und Jérôme aber, die haben es geschafft. Vor allem Jérôme sticht heraus, schließlich führte ihn sein Weg von Hertha BSC über den Hamburger SV und Manchester City zu einem der erfolgreichsten Vereine der Welt, dem FC Bayern München. Mit den Münchnern gewann Jérôme nicht nur mehrere nationale Titel, sondern 2013 auch die Champions League. Ein Jahr später dann folgte sogar noch die ultimative Krönung, die ein Fußballer erfahren kann: Jérôme Boateng wurde mit der deutschen Nationalmannschaft in Rio de Janeiro Fußball-Weltmeister.

Und das alles begann in – Wilmersdorf. Wie bitte? Ja, ganz recht. Denn entgegen der simplen Botschaft, die auf der Weddinger Häuserwand geschrieben steht (“Gewachsen auf Beton”) ist Jérôme nicht im Wedding aufgewachsen, sondern bei seiner Mutter im weit entfernten und gutbürgerlichen Wilmersdorf. Die drei Brüder haben zwar einen gemeinsamen Vater – Prince Boateng – aber unterschiedliche Mütter. Und genauso unterschiedlich verliefen auch ihre Leben. Auch dann noch, als sie den Kontakt zueinander hergestellt  hatten und gemeinsam Fußball spielten.

Kevin-Prince wuchs im Wedding auf, Jérôme in Wilmersdorf

Ein “Weddinger Junge” jedoch, das ist Jérôme Boateng auch in späteren Jahren nicht geworden. Er blieb bei seiner Mutter wohnen und besuchte später, als Hertha BSC schon längst die Fühler nach ihm ausgestreckt hatte, die Poelchau-Oberschule im Olympiapark. Also nichts da mit Ghetto-Kid, auch wenn den Medien diese Story noch heute herrlich leicht von der Feder geht. Fakt aber ist: Jérôme Boateng, der mit Abstand erfolgreichste der drei auf die Hausmauer gepinselten Brüder, kommt nicht aus dem schwierigen Arbeiter- und Migrantenviertel Wedding, sondern ist mutmaßlich eher auf Rasen oder Kunstrasen zum talentierten Fußballer herangewachsen, und nicht nur auf Beton.

Allzu genau nahmen es die Urheber des Wandportraits offensichtlich nicht, es ging wohl eher darum, eine gute Story zu erzählen. Denn die ließ sich Sponsor “Nike” schließlich einiges kosten, um mit seiner Botschaft “Gewachsen auf Beton” so prominent auf der Häuserwand prangen zu können. Der US-Sportartikelhersteller war es nämlich, der das Wandbild anfertigen ließ.

Kevin-Prince Boateng: Weltenbummler, WM-Teilnehmer, Hertha-Legende

Auch wenn die Weddinger Jérôme Boateng gern als einen der “ihren” sehen würden, die Karriere des “wahren Weddingers” Kevin Prince ist ganz sicher auch nicht zu verachten. Profi-Stationen wie Tottenham Hotspurs, AC Mailand, Borussia Dortmund oder Eintracht Frankfurt kann wohl nicht jeder vorweisen, und schon gar keinen “Scudetto”, den Boateng mit Milan in der Serie A gewann. Sogar zum FC Barcelona verschlug es ihn noch, bevor er bei Hertha BSC – letztlich leider mit einem Abstieg in die 2. Liga verbunden – seine aktive Profikarriere beendete. Zwei WM-Teilnahmen mit der ghanaischen Nationalelf runden sein beeindruckende Karriere noch ab.

Dennoch, es bleibt dabei, der erfolgreichste Spieler auf dem Wandbild der drei so unterschiedlichen Brüder ist und bleibt Jérôme. Der wurde in einer Talkrunde vor einigen Jahren gefragt, was er als erstes gemacht hat, als die rauschenden WM-Feierlichkeiten im Jahr 2014 am Brandenburger Tor überstanden waren. “Ich bin nach Hause zu meiner Mutter gefahren.” antwortete Jérôme. “Sie hat mir meine Leibspeise gemacht: Fischstäbchen mit Kartoffelbrei.” Das klingt nun wirklich ganz und gar nicht nach Wedding. Schon eher nach Wilmersdorf.

 

Wer mehr über die Brüder Boateng erfahren möchte, kann dies in Michael Horenis Buch “Die Brüder Boateng” nachlesen.

Quellen: Michael Horoeni (“Die Brüder Boateng), Frankfurter Allgemeine Zeitung, Der Tagesspiegel

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