Sternstunde zur Unzeit: Union vor dem Duell gegen den SSC Neapel

Am Dienstag empfängt der 1. FC Union den SSC Neapel zum Champions-League-Duell im Berliner Olympiastadion. Für Trainer Urs Fischer kommt das Europapokalspiel jedoch zur Unzeit, denn viel lieber würde er seine seit acht Spielen sieglose Mannschaft auf das wichtige Auswärtsspiel bei Werder Bremen vorbereiten. Die Doppelbelastung wird für das verunsicherte Team aus Köpenick zu einem schwierigen Spagat.

© Fotos: GOOLAZO BERLIN
Text: Björn Leffler

 

Am Dienstag steht im Olympiastadion Berlin für den 1. FC Union das nächste Heimspiel in der Champions League an, und zwar gegen den italienischen Meister SSC Neapel. Eigentlich sollte das Aufeinandertreffen mit den Süditalienern ein Europapokal-Festtag sein, doch den Köpenickern fällt die Vorfreude auf das Spiel derzeit vermutlich recht schwer.

Das liegt nicht unbedingt am Spiel selbst, sondern an der Situation des Tabellenfünfzehnten in der Bundesliga, in der die “Eisernen” am Samstag eine durchaus schwerwiegende Niederlage gegen den VfB Stuttgart hinnehmen mussten. Damit hat der 1. FC Union in der Bundesliga mittlerweile sechs Spiele am Stück verloren, eine beunruhigende Serie, die einfach nicht enden will.

Acht Niederlagen am Stück – Union sucht den Ausweg aus der Krise

Wettbewerbsübergreifend sind es mittlerweile sogar acht Partien, in denen dem Team aus dem Südosten der Hauptstadt kein einziger Punktgewinn gelingen wollte, da auch die Europapokal-Duelle mit Real Madrid (0:1) und Sporting Braga (2:3) denkbar knapp und ausgesprochen unglücklich verloren gingen.

Es ist derzeit nicht zu erwarten, dass das merkwürdig aus dem Tritt geratene Team von Trainer Urs Fischer gegen die starken Italiener – das Team rangiert in der Serie A derzeit auf Platz fünf – das verloren gegangene Selbstvertrauen wieder erlangen kann. Aber vielleicht überrascht sich die Mannschaft ja auch selbst, da die Erwartungen derzeit nicht besonders hoch sind und sie nicht so schwer auf den Schultern der Spieler lasten.

Gegen den VfB Stuttgart konnte der 1. FC Union die Erwartungen nicht ansatzweise erfüllen

Anders war das hingegen am vergangenen Samstag, als nicht nur die im Stadion anwesenden Zuschauer die dringend benötigte Trendwende herbeischreien wollten, am Ende jedoch bitter enttäuscht nach Hause gingen. Nach dem Spiel gegen die spielstarken Schwaben war klar, dass sich der Bundesligist aus Köpenick zum ersten Mal seit Jahren in einer ernsthaften sportlichen Krise befindet.

Für Trainer Urs Fischer ist dies eine ganz neue Erfahrung, jedenfalls während seiner bisherigen Amtszeit beim 1. FC Union. Zuletzt 2004 kassierten die Köpenicker so viele Niederlagen am Stück. Da spielte der Verein noch in der Regionalliga. “Im Moment sieht das nicht gut aus, aber nichtsdestotrotz gilt es, die Situation anzunehmen, wie sie ist“, sagte Urs Fischer nach dem Stuttgart-Spiel gegenüber dem RBB.

Union fehlt die offensive Effektivität und die defensive Stabilität der vergangenen Jahre

Damit schätzte Fischer die Leistung seiner Mannschaft recht treffend ein. Dabei waren die bislang schmerzlich vermissten Robin Knoche und Rani Khedira in die Startelf zurückgekehrt, was den Fans in der ausverkauften Alten Försterei große Hoffnung machte. Doch nach dem Führungstreffer für den VfB Stuttgart durch den formstarken Guirassy wirkte das Team wie gelähmt, Torchancen kamen nur wenige zustande.

Die größte Chance vergab in der zweiten Hälfte David Fofana, nach starker Vorarbeit von Sheraldo Becker. Statt 1:1 stand es kurz danach jedoch 0:2, denn die Stuttgarter nutzten ihre Chancen deutlich effektiver aus. Silas (82.) und Undav (88.) entschieden das Spiel letztlich zugunsten der Stuttgarter.

Die namhaften Neuzugänge konnten bislang noch nicht überzeugen

Bei Union gelingen derzeit vor allem jene Dinge nicht, die sie in der Vergangenheit ausgezeichnet hatten. Tore aus dem Nichts zu erzielen und eine ungeheure Effektivität bei der Ausnutzung von Torchancen haben das Team aus Köpenick dort hingetragen, wo es vor Beginn der neuen Saison stand. Zudem konnten sich die Köpenicker auf ihre defensive Kompaktheit verlassen, die zunehmend zu bröckeln scheint.

Bislang kassierten die “Eisernen” in der Bundesliga bereits 17 Gegentore. Zum Vergleich: In der gesamten Vorsaison waren es nur 38. Trainer Urs Fischer muss das Team also nicht nur offensiv in die Spur bringen, sondern auch die Defensive seiner Mannschaft festigen. Neuzugang Robin Gosens sah beim vorentscheidenden 0:2 durch Undav nicht sonderlich gut aus.

Gosens’ Leistungen schwanken bisher, selten konnte der Mann, der immerhin von Inter Mailand nach Köpenick kam, sein volles Leistungspotenzial abrufen. Das lässt sich auch über die weiteren namhaften Neuzugänge Kevin Volland und Leonardo Bonucci behaupten. Und selbst der frisch gebackene Nationalspieler, Kevin Behrens, sucht derzeit seine Form, kommt aber vielleicht mit etwas mentalem Rückenwind von der USA-Reise der Nationalmannschaft zurück.

Am Samstag geht es für den 1. FC Union zum enorm wichtigen Auswärtsspiel nach Bremen

Allein, es reichte nicht, um gegen den zugegeben enorm formstarken VfB Stuttgart zumindest einen Punkt zu holen. Am kommenden Samstag geht es für die Unioner beim Auswärtsspiel in Bremen gegen eine Mannschaft, die bislang genauso viele Punkte gesammelt hat wie Union (6), und nur aufgrund des besseren Torverhältnisses einen Platz über den “Eisernen” steht (Platz 14). Für beide Teams ist die Abstiegszone derzeit aber schon bedrohlich nah.

Ein Sieg an der Weser wäre für die Mannschaft des 1. FC Union daher umso wichtiger. Genau deshalb kommt das Duell mit dem SSC Neapel für Trainer Urs Fischer ausgesprochen unpassend. Der würde sich und sein Team vermutlich lieber auf das wichtige Auswärtsspiel am kommenden Wochenende vorbereiten.

Sind die Köpfe der Spieler für das Spiel gegen den SSC Neapel frei?

Stattdessen müssen er und sein Team ein vermutlich kräftezehrendes Duell mit dem SSC Neapel spielen. Herschenken können die Köpenicker das Spiel allerdings nicht, schließlich werden im ausverkauften Olympiastadion im Berliner Westend wieder große Erwartungen der anwesenden Fans zu erfüllen sein.

Für die sportliche Leitung des 1. FC Union um Präsident Zingler und Sportdirektor Ruhnert ist das Wechselspiel zwischen Bundesliga und Champions League derzeit ein sportlicher Spagat, den sie sich vor der Saison wohl etwas einfacher vorgestellt haben.

 

Quellen: Kicker, Berliner Morgenpost, sport.de, Der Tagesspiegel, RBB

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