Nachdem Tennis Borussia im Oktober 1998 im Achtelfinale des DFB-Pokals 4:2 gegen den Stadtrivalen Hertha BSC gewonnen hatte, war das Team aus dem Berliner Westend die Mannschaft der Stunde. Doch der von einem dubiosen Investor unterwanderte Verein wollte mehr, die Champions League war das erklärte Ziel. Den zwischenzeitlichen Größenwahn bezahlte der Verein letztlich bitter.
© Titelbild: Imago
Text: Björn Leffler
Als im Oktober 1998 das Team von Hertha-Trainer Jürgen Röber in einem denkwürdigen DFB-Pokal-Achtelfinale gegen den damals einzigen ernstzunehmenden Stadtrivalen Tennis Borussia Berlin unterlag, war die Mannschaft aus dem Mommsenstadion mehr als nur das Team der Stunde. Nicht wenige trauten der schlagfertigen Truppe um Spielerpersönlichkeiten wie Akrapovic, Aracic und Copado den baldigen Aufstieg in die 1. Bundesliga zu.
Und das war auch das erklärte Ziel des Vereins, mehr noch. Obwohl “TeBe” erst in der Saison 1997/98 den Aufstieg in die 2. Bundesliga geschafft hatte, sprach man im Berliner Westend schnell von sehr hohen Zielen; die Champions League sollte es sein für die Lila-Weißen. Nach dem fulminanten 4:2 im Pokalduell gegen Hertha BSC schien es plötzlich durchaus möglich, dass der ambitionierte Verein aus Charlottenburg dieses Ziel in wenigen Jahren erreichen könnte.
Tennis Borussia: Im Herbst 1998 die Mannschaft der Stunde
Triebfeder dieser durchaus größenwahnsinnigen Planspiele war der Hauptsponsor, die Göttinger Gruppe, der später zum Sargnagel des Vereins werden sollte. Doch im Oktober 1998 war davon noch nichts zu ahnen. In der 2. Bundesliga hatte sich Tennis Borussia im oberen Tabellenviertel eingenistet und belegte am elften Spieltag sogar Platz eins.
Am Ende der Spielzeit 1998/99 fehlten nur vier Punkte zum Aufstieg in die 1. Bundesliga. Dieser sollte dann aber in der folgenden Spielzeit gelingen, so der Plan der Vereinsführung. Dafür wurde eigens ein großer Name für die Trainerbank verpflichtet. Winfried Schäfer sollte die Tennis Borussen in die erste Liga führen, agierte jedoch während seiner Tätigkeit in Berlin häufig unglücklich.
“Das war einfach peinlich, als Zweitligist von der Champions League zu reden.”
Stadionsprecher Carsten Bangel erinnerte sich in einem Interview mit dem RBB an diese denkwürdige Episode in der wechselhaften Geschichte des Vereins. Als Schäfer “die Spielernamen der Gegner auf den Pressekonferenzen nicht kannte“, verlor er zunehmend den Rückhalt in der Mannschaft und auch im Verein. “Das war einfach peinlich, als Zweitligist von der Champions League zu reden,” so Bangel.
Immerhin, die Spielzeit 1999/2000 begann erneut vielversprechend. Wieder war die Mannschaft anfangs auf Tuchfühlung mit den Aufstiegsplätzen, jedoch rutschte “TeBe” bis zum Ende der Saison dann sportlich auf Rang 13 ab, konnte sich nur mit Mühe retten – zumindest sportlich. Mehr und mehr wurden nun jedoch die Machenschaften der im Verein immer mächtiger gewordenen Göttinger Gruppe publik.
2000 wurden die Machenschaften der Göttinger Gruppe publik
Zum Zeitpunkt des Einstiegs der Göttinger Gruppe hatte sich Tennis Borussia in einer äußerst prekären Lage befunden: Mit rund 8 Millionen DM Schulden war der Verein belastet und sah sich einem kritischen Moment gegenüber, als sich der damalige Präsident und Mäzen, der Schlagerproduzent Jack White, zurückzog.
Der neue Investor aus Niedersachsen, die Göttinger Gruppe, verfolgte jedoch keinesfalls egoistische Image-Ziele, sondern hatte einen ganz anderen Plan im Sinn: Tennis Borussia sollte zu einer profitablen Tochtergesellschaft des Unternehmens werden. Jede Investition hatte das klare Ziel, den Verein an die Spitze des internationalen Wettbewerbs zu bringen, um dort entsprechende Gewinne zu erzielen.
Der Investor kontrollierte sämtliche Vereinsgremien
Um die eigenen Interessen zu schützen, kontrollierte der Investor die Vereinsgremien und besetzte entscheidende Positionen entsprechend: Erwin Zacharias, Chef der Göttinger Gruppe, wurde Vorsitzender des Aufsichtsrats, und Kuno Konrad, Vorstandsmitglied der Gruppe, wurde zum “TeBe”-Präsidenten ernannt. Auch die Pressearbeit der Charlottenburger wurde nach Göttingen verlagert.
Doch die Göttinger Gruppe geriet während der laufenden Saison 1999/2000 in Schwierigkeiten. Anschuldigungen wegen Anlagebetrugs wurden lauter, und im Lizenzierungsverfahren kam es schließlich zum Eklat. Der DFB verlangte eine Millionenbürgschaft, um den Tennis Borussen die Lizenz zu erteilen. Eine Bank, die zur Göttinger Gruppe gehörte, bot sich als Bürge an – eine offensichtliche Selbstbürgschaft, die der DFB ablehnte, was zur Verweigerung der Lizenz für die kommende Zweitligasaison führte.
Lizenzverweigerung: Der tiefe Fall von Tennis Borussia
Die hochbezahlten Spieler verließen den Verein, und zurück blieb ein nicht konkurrenzfähiges Team, das in der kommenden Saison am Tabellenende der Regionalliga landete. Statt in der Champions League spielte Tennis Borussia nun also in der Oberliga. Da gehörten Namen wie Francisco Copado, Winfried Schäfer oder Ilja Aracic längst der Vergangenheit an.
Der Weg von Tennis Borussia sollte in den Folgejahren bis hinunter in die Berlin-Liga führen, eine Rückkehr in den Profifußball gelang dem im Mommsenstadion beheimateten Verein bislang nicht – auch wenn die Ambitionen an der Waldschulallee wieder einmal groß sind. Immerhin wird derzeit das Stadion des Vereins für die 3. Liga ertüchtigt. Doch um dort zu landen, müsste Tennis Borussia noch zwei Aufstiege hinlegen, denn derzeit spielt der Verein nur in der NOFV-Oberliga Nord.
Ilja Aracic gelang der Sprung in die Champions League – mit Hertha BSC
Ilja Aracic übrigens, der im legendären Pokalspiel gegen Hertha BSC zwei Tore erzielte, wechselte noch in der Winterpause der Saison 1998/99 zu Hertha BSC und schoss gleich in seinem ersten Spiel gegen Borussia Dortmund zwei Tore.
Am Ende der Saison erreichte Aracic mit Röbers Hertha die Champions League und spielte in der darauffolgenden Saison auch mehrere Spiele in der Königsklasse, wenn auch meist nur als Einwechselspieler. So gelang ihm, was der Verein Tennis Borussia respektive seine dubiosen Geldgeber in den wilden Jahren zwischen 1998 und 2000 unbedingt erzwingen wollten – und damit letztlich grandios scheiterten.
Quellen: Kicker, Der Tagesspiegel, 11Freunde, RBB , Wikipedia
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