Wie die Hertha-Bubis 1993 sensationell ins DFB-Pokalfinale stürmten

Um ein Haar hätten die Hertha-Amateure den DFB-Pokal in der Saison 1992/93 gewonnen, doch im Finale im ausverkauften Berliner Olympiastadion setzte es eine knappe 0:1-Niederlage gegen Bundesligist Bayer Leverkusen. Dennoch gehört der fabelhafte Siegeszug der Hertha-Bubis auf dem Weg ins Endspiel bis heute zu den größten Sensationen in der Geschichte des DFB-Pokals.

© Foto Titelbild: Wikimedia Commons / Canva
Text: Wolfgang Leffler

 

Letztendlich blieb das Wunder im Pokalfinale 1993 zwischen den Profis der Werkself von Bayer Leverkusen und den Hertha-Amateuren doch aus. Ulf Kirsten zerstörte im Pokalfinale im Berliner Olympiastadion mit seinem glücklichen Kopfballtreffer in der 77. Minute den Traum vom blauweißen Pokalsieg. Herthas Amateure hielten lange das Unentschieden, mussten aber schließlich die Überlegenheit des Bundesligisten anerkennen.

Dabei begann der Weg der Hertha-Amateure ein Jahr zuvor unspektakulär in den Niederungen des Berliner Pokalwettbewerbs, dem Paul-Rusch- Pokal, dessen Sieger das Startrecht für den DFB-Pokal erhielt. Nach Siegen gegen den SV Konsum, Kickers 1900, SSC Südwest, BSV 92 und Wacker 04 schlug man in der sechsten Runde dann den 1.FC Wilmersdorf mit 2:0 und zog ins Halbfinale des Berliner Pokals ein, wo auch Hertha Zehlendorf geschlagen werden konnte.

Im Finale des Berliner Landespokals gewannen die Hertha-Bubis 1:0 gegen die Reinickendorfer Füchse

Schließlich bezwang man dann im Finale die damals prominenten Reinickendorfer Füchse nur knapp mit 1:0. Danach begann für die Hertha-Bubis ein noch bis heute unglaublicher ‚Run‘ mit grandiosen Spielen gegen etablierte Zweit- und Erstligavereine. Nach einem Sieg gegen die unterklassige SGK Heidelberg (3:0) folgten Heimsiege gegen den VfB Leipzig (4:2), Hannover 96 (4:3) – immerhin der Pokalsieger aus dem Vorjahr –, den 1.FC Nürnberg mit Nationaltorhüter Andreas Köpke (2:1) und das denkwürdige Halbfinale gegen den Chemnitzer FC. Unter Flutlicht und mit  euphorisierten 56.514 Zuschauern im Rücken konnten die Sachsen im Berliner Olympiastadion mit 2:1 niedergerungen werden.

Die Hertha-Bubis des Jahrgangs 1992/93 spielten unkonventionell und wurden durch ihre Trainer, zuerst Carsten Heine und später Jochem Ziegert, darin bestärkt. So avancierten sie durch ihre forsche Spielweise zum Berliner Publikumsliebling. Berlin hatte zwei Jahre nach dem desaströsen Abstieg der Hertha-Profis in der Saison 1990/91 aus der ersten Fußball-Bundesliga wieder seine Fußballstars – die Hertha-Amateure, die von allen nur “Bubis” genannt wurden.

Berlin 1993: Euphorie um die Pokal-Helden von Hertha BSC

Die neue Euphorie um die Pokal-Helden fand auch in den einschlägigen Gazetten ihren Widerhall, wo Schlagzeilen wie „Bayer gewann den Pott, Hertha die Herzen“ oder „Hertha-Bubis, Ihr seid Riesen“ zu lesen waren. Diese Euphorie war auch Ausdruck der Sehnsucht der Berliner nach einer erstklassigen Mannschaft. Denn mit dem Makel, seit Jahren die einzige europäische Hauptstadt ohne Erstliga-Fußball zu sein, konnten die meisten Berliner nur schlecht umgehen.

Die Tatsache aber, dass außer Carsten Ramelow, dem einzigen echten Profi damals, die anderen Spieler nach den strapaziösen Spielen am nächsten Tag wieder in der Schule oder an ihren Arbeitsplatz zu erscheinen hatten, barg ausreichend Stoff für herrliche Geschichten, die sogar in den Zeitungen im fernen Hongkong oder in Südamerika gedruckt wurden. Aber außer Ramelow, der in den Folgejahren zum Nationalspieler wurde und 2002 im Champions-League- sowie im WM-Finale stehen sollte, schafften nur wenige den Sprung ins Profilager.

Die Hertha-Bubis: Carsten Ramelow, Christian Fiedler und Andreas Schmidt ragten heraus

Torhüter Christian Fiedler immerhin, 1993 der Jüngste im Team, schaffte diesen Sprung 1996/97 nach dem Aufstieg der Profis in die erste Bundesliga, als eine der Stützen der Aufstiegsmannschaft. Er verlor allerdings nach einigen Patzern am siebten Spieltag seinen Stammplatz als Torhüter an den Ungarn Gabor Kiraly. Später jedoch, nach Kiralys Abschied, sollte Fiedler noch einige Jahre als Stammtorhüter in der Erstligamannschaft von Hertha BSC absolvieren.

Eine ebenfalls positive Entwicklung nahm Mittelfeldspieler Andreas Schmidt. Er zählte im Spieljahr 1997/98, der ersten Bundesliga-Saison nach sieben Jahren Zweitklassigkeit, zu den besten Herthanern und wurde ein Jahr später sogar in die neue A2-Nationalmannschaft, der ehemaligen B-Nationalmannschaft, berufen. Doch das Gros der einstigen Pokalhelden von 1993 verschwand in der 2. Bundesliga oder im unterklassigen Amateurfußball.

Neue Heimat: Dieter Hoeneß versammelte Profis und Amateure auf dem Areal im Olympiapark

Die Amateurabteilung von Hertha BSC litt zum damaligen Zeitpunkt unter dem Problem, kein richtiges Heimspiel- und Trainingsgelände zu haben, denn nach dem grandiosen Pokalerfolg der Amateure war trotz des verloren Endspiels der Zulauf enorm, aber die geeigneten Trainingsplätze rar. Die Vision vom späteren Manager Dieter Hoeneß, alle kickenden Herthaner, ob Amateure, Jugendliche oder Profis, unter einem gemeinsamen Dach auf dem Gelände des Olympiaparks unweit des Olympiastadions zu etablieren, wurde schließlich in die Tat umgesetzt.

Die Hertha-Amateure verfielen nach der knappen Niederlage gegen die Werkself aus Leverkusen am Tag des Endspiels aber nicht in Lethargie und Traurigkeit, sondern nutzten den Moment der Finalteilnahme unmittelbar nach dem Abpfiff, um auf dem Fußballfeld die Feierlichkeiten zu starten, denn dazu hatten Sie allen Grund. Schließlich zählt der Finaleinzug der Hertha-Bubis bis heute zu den größten Pokalsensationen in der Geschichte des DFB-Pokals.

 

Austragungsort des DFB-Pokalfinals 1993: Das Berliner Olympiastadion im Zustand vor der umfassenden Renovierung, die zwischen 2000 und 2004 erfolgte. / © Foto: Wikimedia Commons

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